Feuerlöscher: Unterschied zwischen den Versionen

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P.S.: Die Zitate an den Kapitelanfängen sind Texte aus den „heiligen Texten“ meines Covens.
 
P.S.: Die Zitate an den Kapitelanfängen sind Texte aus den „heiligen Texten“ meines Covens.
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Version vom 26. November 2023, 14:56 Uhr

Feuerlöscher – Feuer – Asche

a. Feuerlöscher
„Wir wissen nicht, woher wir kommen. Wir wissen nicht, wohin wir gehen. Doch wir folgen dem Weg, den die Gottheit uns zeigt.“

In den 80er Jahren war ich Mitorganisator einer Großveranstaltung. Man bat mich an einem Abend darum, den großen Saal für eine geschlossene Veranstaltung haben zu dürfen. Unter der Auflage, dass die Mieter jemanden reinlassen, der auf offene Kerzen etc. aufpasst, bekamen sie die Räumlichkeit. Also fand ich mich wenige Minuten vor dem geplanten Beginn in den Räumen ein – einen Feuerlöscher im Arm.
Ich habe den Feuerlöscher nicht gebraucht. Der Abend war die Sommersonnenwendenfeier von zwei befreundeten Hexen-Coven, die den Rahmen nutzten, um hier zu feiern. Ich kam mir mit meinem Feuerlöscher im Arm selten dämlich vor – nicht nur, weil er überflüssig war, sondern weil ich auch die feierliche Stimmung des restlichen Abends zu stören schien. Man nahm mich aber freundlich auf, ließ mich an den Feierlichkeiten teilhaben. Jahrelang war ich schon auf der Suche nach einer Religion, einem Glauben gewesen, der meine Vorerwartungen erfüllen konnte. Von den christlichen Kirchen enttäuscht sah ich hier eine Möglichkeit, zu meinem spirituellen Selbst zu finden.

b. Feuer!
„Der Kreis wird sich wiederfinden, wenn es an der Zeit ist!“

Ich begann meine Zeit als Schüler. Ein Schüler ist jemand, der den Wunsch geäußert hat, etwas über die Geheimnisse und Riten der Hexenkunst zu lernen. Den Wunsch hatte ich schon mit meinem Feuerlöscher im Arm unmissverständlich geäußert, den Drang nach Wissen auch. Ich fand auch eine Lehrerin, die bereit war, mich auszubilden.
Dies waren ihrer Meinung nach die drei Grundvoraussetzungen für eine Ausbildung: Das Äußern des eigenen Wunsches zu einer Ausbildung, die Nähe zu einer Lehrerin/zu einem Lehrer und der Wunsch nach Wissen, der in einem brennen sollte. Das konnte ich alles bieten.
Meine Schülerzeit wurde als eine Vorstufe beschrieben. Die beiden mir zu vermittelnden Grundlagen waren eine umfangreiche Persönlichkeitsbildung (immerhin sollte ich wissen, was ich wirklich will, bevor ich die Techniken lerne, um meinen Willen durchzusetzen) und das Fühlen eines Grundvertrauens in die Gottheit, so dass ich die Angst vor den Dingen abstreifen konnte, die mir noch fremd waren.
Außerdem erhielt ich sozusagen „liturgische Grundkenntnisse“ – einen Einblick in die Glaubensgrundlagen des Covens.
Nach einem Jahr und einem Tag (der alten Formel für solche Bindungen) erhielt ich meine erste Initiation. Beschrieben wurde sie mir im Vorfeld als „Akzeptierung des Schülers durch die Gottheit“. Dem kann ich nur beipflichten (auch wenn das jetzt ein wenig kitschig klingen mag). Ich war jetzt ein vollwertiges Mitglied im Coven, durfte mitsprechen. Außerdem war es nun an der Zeit, weitere Dinge zu lernen. Namentlich waren dies der Ablauf der Feste im Jahreslauf, die ersten Einblicke in den Ritus und der Ausbau meiner Kenntnisse des Grundkenntnisse im Bereich Mystik und Hexerei.
An dieser Stelle hätte ich jetzt die Möglichkeit gehabt, als einfaches Covenmitglied im äußeren Kreis zu verbleiben. Doch ich entschloss mich gegen diesen magischen „Schnupperkurs“ und bat nach Jahr und Tag erneut darum, eine Initiation zu erhalten. Meine Lehrerin war mit meinen Fortschritten sehr zufrieden. So erhielt ich auch diese Initiation und durfte mich nun Zweitinitiierter nennen.
Meine weiteren Lernaufgaben waren jetzt der genaue Ablauf der einzelnen Feste im Jahreslauf, weitere Informationen zum Ritus, die Grundlagen der Energiearbeit (man stelle sich das ähnlich vor wie bei den Chakren – verschiedene Körperregionen waren an bestimmte Energiemuster geknüpft) und die Handhabung des Zubehörs (kein echtes Coven-Mitglied ohne seine eigene Klinge – und der Erwerb von weiteren Dingen wie Räucherkessel ist zwar optional, aber sehr empfohlen!).
Danach sollte ich mich entscheiden, ob ich weitermache. Die weiteren möglichen Initiationen waren aufgeteilt – es gab eine Initiation, die es mir erlaubt hätte, als Priester zu arbeiten; eine andere Initiation ist für die Heiler vorbehalten etc. Ich entschloss mich erst nach längerem Nachdenken zu einer Wahl.
Meine Lehrerin hatte mir vorher gesagt, dass das Lernen aufhört; man ist das ganze Leben damit beschäftigt. Und sie hat mir auch gesagt, dass die Ausbildung andere Ziele verfolgt als die Beherrschung obskurer „magischer Energien“. Gemeinsam mit ihr habe ich eine Reihe von Zielen entwickelt, die ich erreichen wollte. Die Wahl meines „Berufs“ oder meiner „Berufung“ in der letzten Weihe hing also davon ab, was ich eigentlich wollte. Wieder war es mein Wollen, das mein Handeln bestimmen sollte.
Was wollte ich? Ich wollte eine Ruhe in Gott finden. Außerdem wollte ich mein Leben „in der Zeit“ anders empfinden – im Jahreskreis, gebunden an die Entwicklung der Welt, der Natur. Ich wollte die Ausbildung als einen Lernprozess begreifen, in dem es nicht darum ging, einen Rang zu erlangen, sondern um eine Art „Aufgabeninitation“. Und als letztes wollte ich die Aufgabe abarbeiten, die mir meine Lehrerin ganz zu Anfang gestellt hatte – die Aufgabe der Charakterbildung. Ich war in den Jahren bis dahin durch die Ausbildung ein anderer geworden und ich wollte jetzt anfangen, etwas aktiver an der Gestaltung dieses „anderen Selbst“ mitzuwirken.

Etwas über mein Leben „in der Zeit“ kann ich zum Besten geben, ohne zuviel über mich und meine Seele zu verraten. Es war gerade die andere Zeit, die natürliche Zeit des Heidnischen, die mich begeistert hat. Im Heidentum – so wie ich es kennen gelernt habe – ist man eingebunden in größere Bezüge, die einem das Leben strukturieren und überleben helfen. Natürlich bietet eine „natürliche Ordnung“ auch Sicherheit, in dem sie Strukturen schafft und Anleitung gibt. Mir ist das klar; damals war es mir auch klar, aber ich habe trotzdem den engen Rahmen des Mythos gesucht, weil er mir half, anderen Dingen zu entkommen.
Der heidnische Jahreslauf orientiert sich primär an den Vollmonden. Das Jahr hat 13 Vollmonde, die einem helfen, den Kreis der Jahreszeiten zu strukturieren. Weitere wichtige Eckpunkte dieses Jahreskreises sind Winter- und Sommersonnenwende sowie die beiden Tag- und Nachtgleichen. Eigentlich ist es egal, wie man die Feste nennt – bekannte Namen sind Yul, Ostara, Beltaine und Samhain, aber die Feste könnten genauso Rollepöng, Epsol, Flekkna und Schrumbiegel heißen. Wichtig ist, dass man sich durch sie sowohl in den Jahresablauf als auch in einen historischen Kontext eingebunden fühlt, der einem glaubhaft vermitteln kann, dass man über Generationen und Leben hinweg in einer Gemeinschaft steht, die dem Leben Sinn vermittelt.
Dazu kommen die Regeln des Ritus, die weiterhin helfen, die Arbeit mit den Energien zu strukturieren. Während die Zeit am Mond verortet ist, ist der Ort an die Himmelsrichtungen gebunden. Den vier Himmelsrichtungen werden Elemente zugeordnet – von Osten aus im Uhrzeigersinn Luft, Feuer, Wasser und Erde. Und auch die Zeit findet ihren Niederschlag im Räumlichen: Den Himmelsrichtungen sind in derselben Reihenfolge von Osten aus Kleinkind/Kind, junge Frau/junger Mann, Mutter/Vater und Greisin/Greis bzw. die Toten zugeordnet. Der Raum ist nicht länger von der Zeit getrennt und unsere Positionierung beim Ritual war auch immer ein Standpunkt in der Zeit.
Das Ritual eröffnet durch seine Bindung an den Jahreslauf und dessen Bindung an eine heidnische Religion, welche die Schöpfung in einen Sinn einbettete eine Möglichkeit, Teil einer größeren Wirklichkeit zu werden, die unsere Wirklichkeit wie schützende Hände umfing. Alleine für dieses Gefühl des geborgen seins, des verstanden seins war es sinnvoll, die ganzen Jahre auf mich zu nehmen.

c. ... und Flamme
„Die Flamme des Wissens wird ewig in uns weiterleben.“

Der Coven hatte eine Geschichte. So war es nicht verwunderlich, dass sich bestimmte Rahmenbedingungen – genährt sowohl aus der Tradition der Wicca als auch aus eigenen Überlegungen meiner Lehrerin (die diese wiederum aus Mythen und der Fantasy-Literatur speiste) – in Form von „Traditionen“ eingeschlichen haben.
Dies waren z.B. bestimmte Geräte mit klarer ritueller Bedeutung – die Schale für die Salz-Wasser-Reinigung, der Hausaltar mit seinem ewigen Licht, das Räucherwerk, das Messer aber auch die Kleidung. Wie auf Bildern von Romantikern des frühen 19. Jahrhunderts hüllten wir uns in farbige Kutten, die eher aussahen wie die Requisiten der Eloi in „Die Zeitmaschine“ denn wie heidnische Kleidungsstücke. Warum kann ein Heide im 21. Jahrhundert nicht Kleidung tragen, die zu seiner Zeit und seiner Umwelt passt?
Da waren aber auch die Handlungen, die sich eingeschliffen hatten, ohne hinterfragt zu werden. Während die Aufstellung in den vier Himmelsrichtungen (s.o.) noch Sinn machte, gab es andere Handlungen (z.B. bestimmte Formen, den Kreis zu schützen, oder einen Schirm um die Teilnehmer zu errichten), die darunter litten, dass ihre Bedeutung nicht genügend kommuniziert worden war. Es mag sein, dass mir ein mystischer Schirm hilft, auch wenn ich nicht davon unterrichtet worden bin, dass er errichtet wurde – lieber ist es mir trotzdem, wenn ich Bescheid weiß. Angenehm fand ich die Angewohnheit, die letzten 24 Stunden vor einem Hochfest kein Fleisch zu essen. Ich fühlte mich dadurch leichter, energievoller als mit Fleisch im Magen. Dafür gab es dann nach dem Ritual – „wegen des Energieverlusts“ – Schlachtplatten voller Fleisch zu essen. Aber heute muss ich sagen, dass hinter diesem Aufbau des Rituals eine bestimmte Weisheit steckte.
Mehr Schwierigkeiten hatte ich mit den Glaubenselementen, die einfach vorgegeben wurden, ohne dass man sie hinterfragen durfte. Dazu gehörte nicht nur die unsägliche Rückbesinnung auf Atlantis (nein, ich habe das jetzt nicht erfunden), sondern auch der Rückgriff auf die mythische Klamottenkiste: Die Reinkarnation. Mehr als einmal durfte ich erleben, dass Mitglieder unseres Covens sowohl nach innen (zu Mitgliedern des Covens) als auch nach außen (zu anderen Heiden) die These vertraten, man würde sich aus früheren Leben kennen. Dies sollte gleich eine besondere Bindung herstellen. Diesen Effekt hat es in den wenigsten Fällen nicht gehabt; die meisten Menschen fühlen sich gelobt, wenn sie erfahren, dass sie in einem früheren Leben auch eine wichtige Person waren und mit dem Funktionsträger des Covens in irgendeiner Art und Weise verbunden waren (beliebte Ansätze: Geschwister, Geliebter, Magier-Kollege). Ich glaube heute, dass man diese Bindungen eher psychologisch als religiös deuten sollte.
Aber es gilt weiterhin, dass die Existenz von Riten und Formen für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft wichtig ist. Die Regeln sorgen für eine Sicherheit im Ritus, für ein Gemeinschaftsgefühl bei den Feiern.

d. Hitze und Energie
„Magie ist das Gespür für und das Erkennen von Energien, die dieses Universum schufen und im Gang halten.“

Ich habe nicht wirklich zaubern gelernt. Es tut mir leid, wenn ich das zugeben muss. Bis heute kann ich keine Krankheiten heilen, keine Kaffeemaschinen reparieren oder Dämonen austreiben. Anders ist die Frage, ob ich Situationen zulassen kann, in denen solche Dinge – die wir eigentlich als unnatürlich oder übernatürlich bezeichnen würden – geschehen können. Viel wichtiger als der Einsatz einer aus einem selbst kommenden Gabe ist die Fähigkeit, die Umgebung (das „setting“) davon zu überzeugen, dass gewisse, den üblichen Gesetzen der Realität widersprechende Dinge zugelassen werden können.
Der Magier ändert nichts am Gegenstand, den er verzaubern will – er ändert etwas an der Welt, die den Gegenstand umgibt und verändert somit den Gegenstand und sein Verhältnis zur Welt.
Anfangs, in den ersten Jahren meiner Ausbildung war es gerade die duale Ausrichtung des Glaubens, die mir Halt verschaffte. Hier waren die Dinge einfach und locker in ein Schwarz-Weiß-Schema zu pressen. Es gab die Gottheit, die eins war, und trotzdem geteilt in ein männliches und ein weibliches Prinzip. Es gab Hell und Dunkel, Gut und Böse, Kalt und Warm, Göttin und Gott. Aber umso mehr ich mich mit der Frage beschäftigte, was hinter den Dingen liegt, die ich beobachten kann, desto mehr wurde mir klar, dass diese Dualität eigentlich nicht besteht. Alles ist eins, ist miteinander verbunden. Nicht immer kann ich die Verbindungslinien sehen, aber sie sind vorhanden – wenn auch getarnt oder versteckt oder schwer zu sehen. Manchmal ist die Zahl der Verbindungen so hoch, dass ihnen mein begrenzter Verstand nicht folgen kann. Aber die Verbindungen sind trotzdem vorhanden.
Der Dualismus ist ein künstlicher Dualismus, weil er trennt, wo Dinge eigentlich verbunden sind, und verbindet, wo Dinge eigentlich getrennt sind. Die Welt ist nicht in Dichotomien einteilbar; die Welt ist vielschichtiger, als wir es begreifen können. Der Dualismus hilft, die Extreme zu erkennen. Aber man muss den Dualismus transzendieren, um die Extreme aufheben zu können.

e. Asche
„So will ich trachten zu tragen meinen Teil an Leid und dankbar zu empfangen meinen Teil an Freude.“

Ich war fast ein Jahrzehnt in diesem Coven. Er hat mir viele Dinge gegeben, die ich gesucht habe – Nähe, Freundschaft, Wärme und Zuneigung. Darüber hinaus erfuhr ich, wie es ist, im Kreis mit anderen Menschen zu arbeiten, wie man gemeinsam Entscheidungen trifft, ohne dass sich nachher jemand ausgegrenzt oder beleidigt fühlt. Ich erfuhr eine Menge darüber, wie es ist, wenn man in Ritualgewänder gehüllt nachts im Wald steht und anfangs nur darauf hofft, dass einen kein Spaziergänger oder gar Polizist erwischt – bis diese Angst durch ein Gefühl des Verzaubertseins vertrieben wird, welches die Unwirklichkeit der Situation in ein Gefühl der Freude verwandelt.
Heute noch gibt es Tage, an denen ich diesem Gefühl nachtrauere. Ich habe meine Lehrerin sehr geschätzt. Gescheitert ist sie am eigenen Anspruch, an sonst nichts. Wer Schüler ausbildet, der muss sich damit abfinden, dass diese Schüler eines Tages fertig ausgebildet sein werden und bei der weiteren Planung der Gruppe mitsprechen wollen. Mit dieser Problematik konnte sie nicht leben.
Sie konnte auch nicht damit leben, dass es mir eigentlich egal war, ob sie die Texte selbst erfunden oder wirklich aus einer jahrhundertealten Tradition übernommen hatte. Wichtig ist nicht die Herkunft einer Inspiration, wichtig ist, ob sie Wirkung zeigt. Und sie hat gewirkt, denn in mir ist ein Feuer geweckt worden, das bis heute nicht erloschen ist. Ich suche Wissen und suche Erfahrungen; ich will mich in meinem Suchen der Gottheit annähern und mein Leben mit dem Gefühl beschließen können, dass ich nach jenem Licht gestrebt habe, welches unser Leben beginnt, begleitet und beendet.

P.S.: Die Zitate an den Kapitelanfängen sind Texte aus den „heiligen Texten“ meines Covens.