Rechte Esoterik: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Herausgabe eines im Herder Verlag erschienenen Buches zum Thema "Esoterik" bei der Bundeszentrale für politische Bildung hätte mir zu denken geben sollen. Die Kurzbeschreibung auf dem Rücken des Buches erwähnt die Tätigkeit des Autors als Pfarrer nicht. Der Buchrücken gibt dafür ein Versprechen zum Inhalt: "Matthias Pöhlmann analysiert, wie sich Grenzen verwischen und Allianzen zwischen Akteuren entstehen, die sich in Weltanschauungsfragen, in Medizin, Ernährung oder Bildung im Besitz der exklusiven, vermeintlich rettenden Wahrheit wähnen: Mehr und mehr sickerten dabei, konstatiert er, rechtsextreme Geisteshaltungen in alternative oder esoterische Milieus."<br> | Die Herausgabe eines im Herder Verlag erschienenen Buches zum Thema "Esoterik" bei der Bundeszentrale für politische Bildung hätte mir zu denken geben sollen. Die Kurzbeschreibung auf dem Rücken des Buches erwähnt die Tätigkeit des Autors als Pfarrer nicht. Der Buchrücken gibt dafür ein Versprechen zum Inhalt: "Matthias Pöhlmann analysiert, wie sich Grenzen verwischen und Allianzen zwischen Akteuren entstehen, die sich in Weltanschauungsfragen, in Medizin, Ernährung oder Bildung im Besitz der exklusiven, vermeintlich rettenden Wahrheit wähnen: Mehr und mehr sickerten dabei, konstatiert er, rechtsextreme Geisteshaltungen in alternative oder esoterische Milieus."<br> | ||
Leider schafft Pöhlmann es nicht – damit beginnend, dass er im Titel von rechter Esoterik spricht, in der eben zitierten Beschreibung aber richtig von "rechtsextrem" schreibt. Im Text selbst ist die Begriffsverwendung auch nicht nachvollziehbar. So beginnt das Kapitel "Rechte Esoterik und Extremismus"<ref>Ab S. 139</ref> mit dem folgenden Satz: "Im Folgenden sollen einzelne Autoren, Initiativen und Netzwerke, deren Exponenten im rechtsextremen oder rechten politischen Milieu angesiedelt sind (…), vorgestellt werden."<ref>S. 139</ref> Eine saubere politische Einschätzung ist das nicht, das ist eher Pfusch am Bau.<br> | Leider schafft Pöhlmann es nicht – damit beginnend, dass er im Titel von rechter Esoterik spricht, in der eben zitierten Beschreibung aber richtig von "rechtsextrem" schreibt. Im Text selbst ist die Begriffsverwendung auch nicht nachvollziehbar. So beginnt das Kapitel "Rechte Esoterik und Extremismus"<ref>Ab S. 139</ref> mit dem folgenden Satz: "Im Folgenden sollen einzelne Autoren, Initiativen und Netzwerke, deren Exponenten im rechtsextremen oder rechten politischen Milieu angesiedelt sind (…), vorgestellt werden."<ref>S. 139</ref> Eine saubere politische Einschätzung ist das nicht, das ist eher Pfusch am Bau.<br> | ||
− | Das zweite Problem ist, dass er seinen weltanschaulichen Ansatz die ersten Seiten geheim hält. Dann kommen aber klare Ansagen: "Dieses Buch ist aus der Perspektive eines evangelischen Theologen geschrieben."<ref>S. 17<ref> Weiter geht es in dem Absatz folgendermaßen: "Neben Darstellung, Analyse und Kritik sollen am Ende aus christlicher Sicht orientierende und praktische Hilfestellungen zur Sprache kommen."<ref>S. 17 f.</ref> Das Werk hätte ich so nicht gekauft, wenn es mir vorher klar gewesen wäre. Und ganz ehrlich: Das liefert das Buch auch nicht. Denn die am Ende erfolgenden "Einschätzungen aus christlicher Sicht"<ref>S. 243 ff.</ref> hätte man sich für Heiden und alle nicht-tiefgläubigen Christen sparen können, aber dann hätte man schöne Sätze wie die hier verpasst: "Dem christlichen Glauben wohnt ein ideologiekritisches Potenzial inne."<ref>S. 243</ref> oder "Christlicher Glaube betont die Haltung eines gläubigen Realismus, der im Vertrauen auf einen liebevoll zugewandten, barmherzigen Gott gründet."<ref>S. 244</ref><br> | + | Das zweite Problem ist, dass er seinen weltanschaulichen Ansatz die ersten Seiten geheim hält. Dann kommen aber klare Ansagen: "Dieses Buch ist aus der Perspektive eines evangelischen Theologen geschrieben."<ref>S. 17</ref> Weiter geht es in dem Absatz folgendermaßen: "Neben Darstellung, Analyse und Kritik sollen am Ende aus christlicher Sicht orientierende und praktische Hilfestellungen zur Sprache kommen."<ref>S. 17 f.</ref> Das Werk hätte ich so nicht gekauft, wenn es mir vorher klar gewesen wäre. Und ganz ehrlich: Das liefert das Buch auch nicht. Denn die am Ende erfolgenden "Einschätzungen aus christlicher Sicht"<ref>S. 243 ff.</ref> hätte man sich für Heiden und alle nicht-tiefgläubigen Christen sparen können, aber dann hätte man schöne Sätze wie die hier verpasst: "Dem christlichen Glauben wohnt ein ideologiekritisches Potenzial inne."<ref>S. 243</ref> oder "Christlicher Glaube betont die Haltung eines gläubigen Realismus, der im Vertrauen auf einen liebevoll zugewandten, barmherzigen Gott gründet."<ref>S. 244</ref><br> |
Manche Sätze sollte man beim erneuten Betrachten nicht aus dem Sichtwinkel heraus lesen, dass hier ein Theologe spricht: "Häufig wird dieses höhere Wissen als neues Bewusstsein, Intuition, Inspiration, Chanelling, oder übersinnliche Erkenntnis bezeichnet. Dadurch soll das rationale Denken erweitert oder vertieft werden. Vertreter dieses höheren Erkenntnisanspruches berufen sich auf alte geheime Überlieferungen, Offenbarungserlebnisse, Jenseitskontakte zu höheren Wesenheiten oder Aufgestiegenen Meistern, Erzengeln und »höheren Bewusstheiten«."<ref>S. 41</ref> Wo ist hier die Abgrenzung zum christlichen Glauben zu sehen? Gibt es hier keine geheimen Überlieferungen, keine aufgestiegenen Meister, keine Erzengel etc.? Oder bin ich hier einfach nur bösartig und lese mehr hinein, als hier steht? Sprachlich hat mich das Buch auf jeden Fall nicht "gepackt", das wird mir beim Lesen schnell klar.<br> | Manche Sätze sollte man beim erneuten Betrachten nicht aus dem Sichtwinkel heraus lesen, dass hier ein Theologe spricht: "Häufig wird dieses höhere Wissen als neues Bewusstsein, Intuition, Inspiration, Chanelling, oder übersinnliche Erkenntnis bezeichnet. Dadurch soll das rationale Denken erweitert oder vertieft werden. Vertreter dieses höheren Erkenntnisanspruches berufen sich auf alte geheime Überlieferungen, Offenbarungserlebnisse, Jenseitskontakte zu höheren Wesenheiten oder Aufgestiegenen Meistern, Erzengeln und »höheren Bewusstheiten«."<ref>S. 41</ref> Wo ist hier die Abgrenzung zum christlichen Glauben zu sehen? Gibt es hier keine geheimen Überlieferungen, keine aufgestiegenen Meister, keine Erzengel etc.? Oder bin ich hier einfach nur bösartig und lese mehr hinein, als hier steht? Sprachlich hat mich das Buch auf jeden Fall nicht "gepackt", das wird mir beim Lesen schnell klar.<br> | ||
Und wenn man schon vom christlichen Ansatz her kommt: Wäre es nicht auch notwendig, da genauer hinzuschauen, wo Theologen in die Szene der Verschwörungsgläubigen involviert sind? Götz Wittneben wird als der "evangelische Diplomtheologe"<ref>S .76 f.</ref> benannt, aber das Thema wird nicht vertieft. Passt.<br> | Und wenn man schon vom christlichen Ansatz her kommt: Wäre es nicht auch notwendig, da genauer hinzuschauen, wo Theologen in die Szene der Verschwörungsgläubigen involviert sind? Götz Wittneben wird als der "evangelische Diplomtheologe"<ref>S .76 f.</ref> benannt, aber das Thema wird nicht vertieft. Passt.<br> | ||
Inhaltlich ist das Buch dann eine Kaffeefahrt am Rand des Irrsinns entlang. Wenn man die Titel der Kapitel im Inhaltsverzeichnis<ref>S. 7 ff.</ref> durchgeht, so findet man u.a. (in dieser Reihenfolge) die Begriffe Corona-Proteste, Anthroposophie, Meditation, Yogis, Querdenker, Quantenheilung, Energiefelder, Echokammer, Verschwörungsmythen, Alternativmedizin, Reichsbürgerideologie, Schwarze Sonne, Vril-Symbolik, Freimaurer, Satanisten, die Protokolle der Weisen von Zion, Wurzelrassen, Theosophie, Antisemitismus, Ariosophie, Armanen, NS-Mythen, Vril-Gesellschaft, Geheimorte, Neuschwabenland, Hohle Erde, Aldebaran, New Age, Prä-Astronautik, Ufologie, "The Great Reset", Alternative Energie, Neue Weltkirche des Christus, Internetkrieger, Germanische Neue Medizin, QAnon, Tiefer Staat und Anastasia-Bewegung. Für ein Buch von etwas über 300 Seiten eine reife Leistung beim „name dropping“ von Irrsinnsthemen – diese Leistung wird eben dadurch erkauft, dass man bei ganz vielen Themen eben nicht in die Tiefe gehen kann.<br> | Inhaltlich ist das Buch dann eine Kaffeefahrt am Rand des Irrsinns entlang. Wenn man die Titel der Kapitel im Inhaltsverzeichnis<ref>S. 7 ff.</ref> durchgeht, so findet man u.a. (in dieser Reihenfolge) die Begriffe Corona-Proteste, Anthroposophie, Meditation, Yogis, Querdenker, Quantenheilung, Energiefelder, Echokammer, Verschwörungsmythen, Alternativmedizin, Reichsbürgerideologie, Schwarze Sonne, Vril-Symbolik, Freimaurer, Satanisten, die Protokolle der Weisen von Zion, Wurzelrassen, Theosophie, Antisemitismus, Ariosophie, Armanen, NS-Mythen, Vril-Gesellschaft, Geheimorte, Neuschwabenland, Hohle Erde, Aldebaran, New Age, Prä-Astronautik, Ufologie, "The Great Reset", Alternative Energie, Neue Weltkirche des Christus, Internetkrieger, Germanische Neue Medizin, QAnon, Tiefer Staat und Anastasia-Bewegung. Für ein Buch von etwas über 300 Seiten eine reife Leistung beim „name dropping“ von Irrsinnsthemen – diese Leistung wird eben dadurch erkauft, dass man bei ganz vielen Themen eben nicht in die Tiefe gehen kann.<br> | ||
So erzeugt man ein Mosaik von Einzelbeiträgen aus dem Steinbruch der eigenen Werke und Online-Verweise, ohne wirklich darüber aufzuklären, was am recht(sextrem)en Rand passiert oder gar dabei zu helfen, diese Strukturen zu bekämpfen.<br><br><br> | So erzeugt man ein Mosaik von Einzelbeiträgen aus dem Steinbruch der eigenen Werke und Online-Verweise, ohne wirklich darüber aufzuklären, was am recht(sextrem)en Rand passiert oder gar dabei zu helfen, diese Strukturen zu bekämpfen.<br><br><br> | ||
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Aktuelle Version vom 26. November 2023, 17:59 Uhr
Matthias Pöhlmann
"Rechte Esoterik"
Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung
304 Seiten
ISBN 978-3-7425-0826-3
Bonn, 2022
Die Herausgabe eines im Herder Verlag erschienenen Buches zum Thema "Esoterik" bei der Bundeszentrale für politische Bildung hätte mir zu denken geben sollen. Die Kurzbeschreibung auf dem Rücken des Buches erwähnt die Tätigkeit des Autors als Pfarrer nicht. Der Buchrücken gibt dafür ein Versprechen zum Inhalt: "Matthias Pöhlmann analysiert, wie sich Grenzen verwischen und Allianzen zwischen Akteuren entstehen, die sich in Weltanschauungsfragen, in Medizin, Ernährung oder Bildung im Besitz der exklusiven, vermeintlich rettenden Wahrheit wähnen: Mehr und mehr sickerten dabei, konstatiert er, rechtsextreme Geisteshaltungen in alternative oder esoterische Milieus."
Leider schafft Pöhlmann es nicht – damit beginnend, dass er im Titel von rechter Esoterik spricht, in der eben zitierten Beschreibung aber richtig von "rechtsextrem" schreibt. Im Text selbst ist die Begriffsverwendung auch nicht nachvollziehbar. So beginnt das Kapitel "Rechte Esoterik und Extremismus"[1] mit dem folgenden Satz: "Im Folgenden sollen einzelne Autoren, Initiativen und Netzwerke, deren Exponenten im rechtsextremen oder rechten politischen Milieu angesiedelt sind (…), vorgestellt werden."[2] Eine saubere politische Einschätzung ist das nicht, das ist eher Pfusch am Bau.
Das zweite Problem ist, dass er seinen weltanschaulichen Ansatz die ersten Seiten geheim hält. Dann kommen aber klare Ansagen: "Dieses Buch ist aus der Perspektive eines evangelischen Theologen geschrieben."[3] Weiter geht es in dem Absatz folgendermaßen: "Neben Darstellung, Analyse und Kritik sollen am Ende aus christlicher Sicht orientierende und praktische Hilfestellungen zur Sprache kommen."[4] Das Werk hätte ich so nicht gekauft, wenn es mir vorher klar gewesen wäre. Und ganz ehrlich: Das liefert das Buch auch nicht. Denn die am Ende erfolgenden "Einschätzungen aus christlicher Sicht"[5] hätte man sich für Heiden und alle nicht-tiefgläubigen Christen sparen können, aber dann hätte man schöne Sätze wie die hier verpasst: "Dem christlichen Glauben wohnt ein ideologiekritisches Potenzial inne."[6] oder "Christlicher Glaube betont die Haltung eines gläubigen Realismus, der im Vertrauen auf einen liebevoll zugewandten, barmherzigen Gott gründet."[7]
Manche Sätze sollte man beim erneuten Betrachten nicht aus dem Sichtwinkel heraus lesen, dass hier ein Theologe spricht: "Häufig wird dieses höhere Wissen als neues Bewusstsein, Intuition, Inspiration, Chanelling, oder übersinnliche Erkenntnis bezeichnet. Dadurch soll das rationale Denken erweitert oder vertieft werden. Vertreter dieses höheren Erkenntnisanspruches berufen sich auf alte geheime Überlieferungen, Offenbarungserlebnisse, Jenseitskontakte zu höheren Wesenheiten oder Aufgestiegenen Meistern, Erzengeln und »höheren Bewusstheiten«."[8] Wo ist hier die Abgrenzung zum christlichen Glauben zu sehen? Gibt es hier keine geheimen Überlieferungen, keine aufgestiegenen Meister, keine Erzengel etc.? Oder bin ich hier einfach nur bösartig und lese mehr hinein, als hier steht? Sprachlich hat mich das Buch auf jeden Fall nicht "gepackt", das wird mir beim Lesen schnell klar.
Und wenn man schon vom christlichen Ansatz her kommt: Wäre es nicht auch notwendig, da genauer hinzuschauen, wo Theologen in die Szene der Verschwörungsgläubigen involviert sind? Götz Wittneben wird als der "evangelische Diplomtheologe"[9] benannt, aber das Thema wird nicht vertieft. Passt.
Inhaltlich ist das Buch dann eine Kaffeefahrt am Rand des Irrsinns entlang. Wenn man die Titel der Kapitel im Inhaltsverzeichnis[10] durchgeht, so findet man u.a. (in dieser Reihenfolge) die Begriffe Corona-Proteste, Anthroposophie, Meditation, Yogis, Querdenker, Quantenheilung, Energiefelder, Echokammer, Verschwörungsmythen, Alternativmedizin, Reichsbürgerideologie, Schwarze Sonne, Vril-Symbolik, Freimaurer, Satanisten, die Protokolle der Weisen von Zion, Wurzelrassen, Theosophie, Antisemitismus, Ariosophie, Armanen, NS-Mythen, Vril-Gesellschaft, Geheimorte, Neuschwabenland, Hohle Erde, Aldebaran, New Age, Prä-Astronautik, Ufologie, "The Great Reset", Alternative Energie, Neue Weltkirche des Christus, Internetkrieger, Germanische Neue Medizin, QAnon, Tiefer Staat und Anastasia-Bewegung. Für ein Buch von etwas über 300 Seiten eine reife Leistung beim „name dropping“ von Irrsinnsthemen – diese Leistung wird eben dadurch erkauft, dass man bei ganz vielen Themen eben nicht in die Tiefe gehen kann.