Donjon: Das Herz einer Ente: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Herz einer Ente (Band 1) Joann Sfar & Lewis Trondheim<br> | Das Herz einer Ente (Band 1) Joann Sfar & Lewis Trondheim<br> | ||
Ü: Jana Villim L: Michael Möller Carlsen 1999<br> | Ü: Jana Villim L: Michael Möller Carlsen 1999<br> |
Aktuelle Version vom 8. Januar 2024, 15:35 Uhr
»Vier schwarze Türme, deren höchster von zehn Tagesmärschen
Entfernung aus zu sehen ist … Eine versteckte Eisentür
inmitten der stinkenden Sümpfe … Endlose, mit Moos und
Salpeter bedeckte Gänge … Leitern, Lastenaufzüge, Treppen
bis ins Innere der Erde … Das ist der Donjon.«
Die so beschriebene riesige Burganlage ist nicht nur vom Namen
her eine Parodie auf die Dungeons der Rollenspiele – dies merkt
man nicht nur durch das Einstreuen von Hinweisen
auf Personen wie Grimmzahn und andere,
Abenteuergruppen irren durch eine fremdartige Architektur,
in der es vor Monstern und Monstrositäten
nur so wimmelt. Der »Mirakelhof« umfasst u.a.
Chthonier, Orks, Trolle, Broos, Rotzlinge, Vampire,
Mörderzwerge, Gorgonen, Werwölfe, Bad Fellows,
Maschromms (die auch wie Pilze aussehen), Endloswürmer,
»Drachen, alt wie die Zeit« und »Genug Skelette
und Geister, um bis zum Jüngsten Tage mit Knöchelchen
zu würfeln.«
Im ersten Band wird der Donjon durch böse Monster
bedroht. Der Herr der Anlage sucht einen Helden
– und findet ihn in Abakar Oktopuss, Prinz ohne
Fürstentum, der mit seiner Sandale Königsgräber
aufwühlt.
Leider stirbt besagter Abakar, während der Entenbote
ihm die Nachricht von seiner Berufung überbringt.
Was bleibt, wenn Scheitern den Tod bedeutet?
Man streift sich schnell die Klamotten des Toten über und gibt
sich selbst als Held aus. Ärgerlich ist nur, dass man mit einem
Schwert bestraft ist, dass nur gezogen werden kann, wenn man mit bloßen Händen drei Heldentaten begangen hat (»Ich bin der
Schicksalsgürtel, Begleiter der störrischen Scheide.«). Und ablegen
kann man es auch nicht ... Wenig hilfreich ist auch, dass man noch
das Herz entnommen bekommt, damit man loyal ist.
Ich will jetzt nicht die Handlung wiedergeben. Aber die Bedrohung
des Donjon wird zurückgeschlagen – und wir erfahren auch,
wie unser Held in Wirklichkeit heißt: Herbert, Herzog von
Vaucanson.
Im zweiten Band muss Herbert wohl oder übel lernen, wie man
zum »König der Krieger« wird. Nun, durch seine »störrische Scheide
« gehemmt, bleibt ihm nicht viel mehr an Waffen als eine Feder
(davon hat eine Ente immer mehr als genug dabei) und ein Stock.
Bedroht von Wesen wie der dicken Sonja oder dem Green Man und
Waffen wie der Doppelklingen-Peitsche der
Kalaripayatmeister ist das
natürlich nicht unbedingt
eine Siegesgarantie.
Aber Herbert
meistert alle Gefahren
(irre wie normale) und
wird »König der Krieger«
– und bekommt noch
eine kostenlose Lektion
zum Thema »Heirat«!
Der dritte Band bleibt
in der Tradition der humorvollen
Parodie. »Die
Prinzessin der Barbaren« ist eigentlich ein Werbegag für das Donjon.
Man erhofft sich mehr (reiche) Gäste (lies: Opfer), wenn man
eine Prinzessin per Brief um Hilfe bitten lässt. Ärgerlicherweise verwendet
Herbert nicht einen erfundenen Namen, sondern greift auf
eine Jugendliebe zurück. Die ganze Handlung wird dann entsetzlich
kompliziert samt anrückender Verwandtschaft und einer
überhaupt nicht im Donjon gefangenen Prinzessin, die jetzt von
jedem dort gesucht wird.
Inhaltlich ist er von den drei Bänden der schwächste. Eine Menge
Ideen (das magische Schwert samt Scheide, Herberts Persönlichkeit)
sind schon bekannt und werden zwar konsequent weiter benutzt, aber nicht ausgebaut. Humor ist
etwas, das man immer wieder neu bieten
muss, sonst wird es schal.
Ein Pluspunkt bleibt aber: Durch die
Suche nach der Prinzessin findet ein großer
Teil der Handlung im Donjon statt.
Und dadurch lernt man etwas über die
geheimen Keller, die Trolle und zerstörte
Brücken in den Dungeons des Donjons.
Ärgerlich wird es dann ein wenig mit der
weiteren Entwicklung der Serie. Unter den
Stichworten »Morgengrauen« und »Abenddämmerung
« werden um die »Zenit«
genannte Trilogie (s.o.) Vor- und Nachgeschichte
geschildert. In »Das Hemd der
Nacht« wird die Vorgeschichte erzählt.
Durch die Anwerbung eines neuen Zeichners
ändert sich der vorher sehr klare Stil
hin zu einer mich nicht so ansprechenden
Zeichenart. Immer noch ist die Handlung
voll von Klischees – alleine die Entstehung
des Rächers »Hemd der Nacht« und der
Konflikt zwischen (edler) Land- und (mieser)
Stadtbevölkerung wäre eine eigene
Abhandlung wert. Aber es fehlt der humoristische
Biss der ersten Bände.
Wesentlich besser als »Das Hemd der
Nacht« ist der zur »Abenddämmerung«
gehörende Band »Der Drachenfriedhof«.
Herbert die Ente, ist zum dunklen Herrscher
des Donjon aufgestiegen. Sein
Freund Marvin, der sich nun der Staubkönig
nennt, ist inzwischen blind und ein
Eremit. Für eine letzte Reise macht er sich
auf, um zum mysteriösen Drachenfriedhof
zu gelangen. Begleitet wird er
von Marvin, einem roten Hasen (seine Farbe
macht ihn zur Missgeburt unter den friedfertigen Hasen, wahrscheinlich ist er deswegen zum Kämpfer
geworden), und einer Fledermaus, die dem Blinden als Augen dient.
Die Geschichte ist fast schon surreal. Verfolgt von Verfolgern,
die wiederum von Verfolgern verfolgt werden, die alle scharf
darauf sind, den Ort des mysteriösen Drachenfriedhofes zu finden
... Und die Geschichte besitzt Parallelen zu einer mystischen
Queste. Marvin muss herausfinden, wer er eigentlich ist
– Hase oder Held. Der Staubkönig muss seine letzte Ruhe finden
und Herbert, die Ente, muss sich entscheiden, wie sie mit
dem alten Freund umgeht.
Was mir in den ersten Bänden immer gefallen hat, ist hier
auch vorhanden: der bissige Humor. Doch dem Thema der »Abenddämmerung
« angemessen ist die Handlung dunkler und
trauriger als in den ersten Bänden.
Im neusten Band der Serie, »Der Vulkan von Vaucanson«,
wird es dann wieder kompliziert in Bezug auf die Handlung.
Der Staubkönig ist nicht tot, Marvin (der rote Hase) ist immer
noch ein Held und jetzt kommt es zu einer erneuten Konfrontation
zwischen Marvin & Marvin (Staubkönig und Hase) auf der
einen Seite und Herbert (der Ente) mit seinen Gefolgsleuten auf der
anderen Seite. Eher nebensächlich erfährt man von dem großen
Ereignis, das Marvin und Herbert entfremdet zu haben scheint.
Herbert schildert seine Erlebnisse folgendermaßen: »Ich habe mühselig
sieben Elemente des Schicksals vereint. Das war mein Lebensziel:
Die Welt zu durchwandern, um sieben Artefakte zu finden,
deren gemeinsame Kraft mir ermöglicht, die Schwärze der Welt in
mir zu bündeln. (...) Denn mit dem Bösen als Verbündeten regiere
ich die Welt durch die Kraft des Geistes. Ich habe erreicht, dass sich
der Planet nicht mehr dreht und verhinderte so seinen Zerfall.«
Leider ist dieser Umstand in der Handlung des Comics nicht zu
erkennen. Herbert wird mehr und mehr zur Klischee-haft agierenden
Killerente, während sich Marvin alias der Staubkönig immer
mehr und mehr zu einem mystischen Helden wandelt, dessen Motivation
völlig um Unklaren bleibt. Auch hat sich der Zeichenstil seit
den ersten Bänden nicht wirklich verbessert; die Figuren werden
unklarer, die Charakterisierungen der Figuren weniger unterhaltsam
(was zwar zur Handlung passt, aber den Stil der Serie bricht).
Fazit: Obwohl die Handlung immer wieder Durchhänger hat, kann
ich die Original-Trilogie allen Freunden des Fantasy-Comics, die
eine Prise Humor besitzen, nur wärmstens empfehlen. Wem es gefällt,
der soll sich dann die anderen Bände auch noch holen – es
gibt sicherlich schlechtere Möglichkeiten, sein Geld in Comics anzulegen.
ZU DEN AUTOREN
Joann Sfar, Jahrgang 1971, studierte Philosphie, Malerei und Morphologie.
Er hat neben »Donjon« zusammen mit Pierre Dubois eine
Albenreihe namens »Petrus Barbygere« erschaffen. Die mit Jose Luis
Munuera geschaffenen Serien »Die Potamoks« und »Merlin« erscheinen
beide auf Deutsch bei Carlsen.
Lewis Trondheim (»eigentlich %§-§!@&$*p, aber‚ wenn man seine
ganze Kindheit hindurch Opfer blöder Wortspiele wird, legt man
sich irgendwann ein Pseudonym zu«) ist Jahrgang 1964. »Als Nachnamen
wollte ich einen Städtenamen, aber Lewis Bordeaux oder
Lewis Toulouse klang nicht so gut. Da fiel mir diese Stadt ein,
Trondheim ... Vielleicht veröffentliche ich irgendwann ein Album
unter meinem richtigen Namen, um unerkannt zu bleiben.« Auf
deutsch erschienen von ihm »Herrn Hases haarsträubende
Abenteuer«, »Monströse Geschichten«, »Monströser
Truthahn«, »Hallo, kleiner Weihnachtsmann« (alle
Carlsen) sowie »Die Fliege« und »Approximate Continuum
Comics« (beide Reprodukt).
Das Herz einer Ente (Band 1) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Jana Villim L: Michael Möller Carlsen 1999
Der König der Krieger (Band 2) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2000
Die Prinzessin der Barbaren (Band 3) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2000
»Das Hemd der Nacht« (Band 99) Christophe Blain, Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2001
»Der Drachenfriedhof« (Band 101)Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2001
»Der Vulkan von Vaucanson« (Bd.102) Joann Sfar & Lewis Trondheim
Ü: Tanja Krämling L: Michael Möller Carlsen 2002