Lord Darcy: Mord, Magie und modernes Mittelalter

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Zur Einführung Die letzten Jahre wird das Phänomen „Magie in der modernen Welt“ in der Fantasy-Literatur nur noch auf HARRY POTTER und seine Epigonen reduziert. Leider vergisst man dabei zu oft, dass es schon seit vielen Jahrzehnten Vorläufer gibt, welche die Verknüpfung von Magie und Moderne in Geschichten für Erwachsene möglich machten. Verwiesen sei hier nur auf die HAROLD SHEA-Serie von Lyon Sprague de Camp und Fletcher Pratt, DIE ZEIT DER HEXENMEISTER von Robert A. Heinlein sowie OPERATION CHAOS von Poul Anderson.
Aber viel zu oft wird der Meister dieser Romane vergessen: Randall Garrett. Mit ihm, seiner LORD DARCY-Serie und den Fortsetzungen durch Michael Kurland will ich mich in diesem Artikel beschäftigen.

Die Autoren
Erfinder und Hauptautor der LORD DARCY-Serie ist Randall Garrett. Garrett, eigentlich Gordon Randall Philip David Garrett, wurde 1927 geboren. Sein Studium beendete er mit dem Bachelor of Science an der Texas Tech University. Seit 1951 erschienen von ihm Veröffentlichungen in Magazinen.
Im Sommer 1955 zog Randall Garrett (...) nach New York. Aufgrund einer komplizierten Verkettung von Ereignissen quartierte er sich in dem Hotel ein, in dem ich [Robert Silverberg] wohnte. Ich war acht Jahre jünger, studierte im dritten Jahr an der Columbia University und begann gerade meine eigene schriftstellerische Karriere. Zwei Jahre lang hatte ich eifrig gearbeitet und einen Roman und fünf Kurzgeschichten an den Mann gebracht (...). Trotzdem war ich zweifellos ein professioneller Autor, und das war Garrett auch (allerdings in viel höherem Maße). Es dauerte nicht lange, bis wir eine Zusammenarbeit erwogen.[1]
Beide schrieben unter dem gemeinsamen Pseudonym Robert Randall. Garrett veröffentlichte unter seinem richtigen Namen bis zum Beginn der 80er Jahre ca. 110 Kurzgeschichten. Weitere 16 erschienen unter David Gordon, 15 unter Walter Bupp, fünf unter Darrel T. Langart (ein Anagramm seines Kurznamens), je zwei als Gordon Aghill, Clyde Mitchell und Ralph Burke, je eine unter Alexander Blade (einem Verlagspseudonym), Ivar Jorgensen, Richard Greere, S.M. Tenneshaw, Leonard G. Spencer und Gerald Vance. Dazu kommen die Gemeinschaftsproduktionen mit Silverberg (als Robert Randall, zwei als S.M. Tenneshaw). Zusammen mit Laurence Mark Janifer erschienen drei Romane um den Zukunftsdetektiv Kenneth J. Malone.
Seine erste Ehe wurde bald geschieden. 1975 lernte Garrett Vicki Ann Heydron kennen. 1978 heirateten sie. An seinem Hochzeitstag erklärte er auf der Party: „But I want to tell you that I will continue to write under my maiden name.“ Bis zu seiner Erkrankung entstand gemeinsam der Handlungsbogen für den GANDALARA-Zyklus samt einem ersten Entwurf für den ersten Band THE STEEL OF RAITHSKAR.
1979 wurde er krank (Gehirnhautentzündung) und erlitt einen Gehirnschaden, der zu Gedächtnisverlust und zu Schäden im Kurzzeitgedächtnis führte. Seine Frau und er zogen 1980 zu Randalls Bruder, damit sie ihn gemeinsam pflegen konnten. Aber im August 1981 war klar, dass Randall nie wieder genesen würde. Sie wiesen ihn in die Psychiatrie ein, wo er am 31.12.1987 starb.
Michael Kurland ist der Autor von zwei Dutzend Romanen und einiger Sachbücher. Dazu gehören Science Fiction und Fantasy-Titel (PLURIBUS, PERCHANCE und der geniale Alternativwelt-Roman THE WHENABOUTS OF BURR[2]).
Er beschäftigte sich auch mit dem viktorianischen Krimi. So schrieb er drei Romane um Professor Moriarty, Holmes großen Gegenspieler: THE INFERNAL DEVICE, DEATH BY GASLIGHT und THE GREAT GAME. Kurland und Garrett scheinen sich gekannt zu haben. So erwähnt Garrett in der DARCY-Serie einen Abenteuerroman namens THE INFERNAL DEVICE.
Außerdem schrieb Kurland eine Reihe von Sachbüchern zu Themen wie Mord vor Gericht und Forensik (u.a. HOW TO SOLVE A MURDER, MURDER ON TRIAL und THE SPYMASTER’S HANDBOOK).
Grandios fand ich schon seine Selbstvorstellung in THE UNICORN GIRL:
He has a Doctorate in Ecclysiology, and his first published work was his thesis: Cultural Patterns of Migrant Brooklyn Apple-Pickers With Reference to the Prevalence, Utility, Adaptability and Social Standing of Ecclysiasts Within the Group-Standard Milieu. It was published as an illustrated children’s book unter the title She Stripped for Cider, and went into three printings.[3]

Lord Darcys Welt
Die LORD DARCY-Serie spielt in einer Alternativwelt. Richard Löwenherz stirbt nicht 1199 bei der Belagerung von Chaluz, sondern kehrt nach England zurück und heilt seine Verletzungen aus.
Es gab Historiker, die behaupteten, dass heute ein Capet anstelle eines Plantagenets auf dem Thron sitzen würde, wenn Richard damals bei Chaluz gestorben wäre. Doch die Capets waren schon lange ausgestorben, wie auch der labile Seitenzweig der Plantagenets, die von dem exilierten Prinzen Johann, Richards jüngerem Bruder, abstammten. Richard und Arthur, sein Neffe, der ihm 1219 auf den Thron folgte, waren es gewesen, die die anglo-französische Nation in jenen schweren Zeiten zusammengehalten hatten, und es waren die Nachkommen Arthurs, die das Reich nun schon seit siebeneinhalb Jahrhunderten im Gleichgewicht hielten.[4]
John stirbt 1219 in der Verbannung. Hugo Capet, gestorben 996, war seit 987 König von Frankreich. Von ihm stammt das Haus der Kapetinger ab. In Darcys Welt wurde der letzte Kapetinger 1215 von Richard Löwenherz getötet. In unserer Welt starben die Kapetinger erst 1328 mit dem Tode von Karl IV. von Frankreich aus.
Auf dem Thron sitzt während Darcys Karriere John IV, „König und Kaiser von England, Frankreich, Schottland, Irland, Neuengland und Neufrankreich“[5]. Außerdem ist er noch „Kaiser des Heiligen Römisches Reichs Deutscher Nation; Oberster Häuptling des Moqtessumid Klans; Sohn der Sonne; Graf von Anjou und Maine“[6]. Sein Bruder ist der Herzog der Normandie. Er steht nach den beiden Söhnen des Königs – des Prinzen von Brittanien und dem Herzog von Lancaster – als dritter in der Erbfolge.
Einsatzort von Darcy, eigentlich Lord Darcy von Rouen, ist anfangs die Normandie. Erst später verlegt er seinen Wohnsitz nach London. Doch führen ihn seine Aufträge durch die ganze anglo-französische Welt.
Seit dem Jahre 1420 und dem Vertrag von Købnhavn (unser Kopenhagen) hat sich das anglo-französische Reich in Europa nicht mehr erweitert. Erst die Entdeckung der westlichen Kontinente (Nord- und Südamerika) im 16. Jahrhundert eröffnete Raum für neue Herrschaftsgebiete.
England und Frankreich sind seit 800 Jahren ein Reich, gemeinsam bilden sie (mit Schottland, Irland, Neuengland und Neufrankreich – Wales wird offensichtlich zu England gezählt) das anglo-französische Reich. Als historische Bezeichnung existiert hierfür noch der Begriff Angevin-Empire.[7] Das Civitas Andegavensis wurde in unserer Welt später zur Grafschaft Anjou. Der Titel des Königs John IV. verweist auch auf die Grafschaft Anjou und diese Abstammung. Das Angevinische Reich unserer Erde war seit 1154 (unter Henry II) das Herrschaftsgebiet des Hauses Anjou-Plantagenet (Westfrankreich und England). Richard Löwenherz erbte also in beiden Welten den Rumpfstaat des anglo-französischen Reiches – nur gab es in Darcys Welt keinen Prinz John, der ab 1199 Anjou an Frankreich verlieren konnte.
Das anglo-französische Reich ist in verschiedene Herzogtümer unterteilt. Genannt werden:
• Burgund. Aber hier gibt es eine Ausnahme: „Technisch gesehen gehörte die Grafschaft von Lyonnais zum Herzogtum Burgund, doch hielten ihre Bewohner sich nicht für Burgunder.“[8] Geschichtlich gehörte das Gebiet um Lyon zum Königreich Arelat und wurde 1307 französisch. Eine Grafschaft Lyonnais um Lyon gab es seit 1563.
• Dauphine. Sie umfasst in unserer Welt Marseille, Nizza, Toulon und Aix-en-Provence. Bis 1033 gehörte sie zu Burgund, ab 1481 ist sie französisch.
• Kent
• Ligurien. Dies war eigentlich im italienischen Altertum eine Provinz in Norditalien in der Gegend um Genua, unter den Staufern war es Teil der Lombardei und damit im Heiligen Römischen Reich.
• die Normandie
• die Provence (die unter den Staufern eigentlich zum Königreich Arelat im Heiligen Römischen Reich gehörte)
• Überstein[9]
Wenn der König anonym bleiben bzw. nicht als König tituliert werden will, trägt er den Titel des Herzog von Navarre.[10] In unserer Welt ist Navarre zwischen Spanien und Frankreich geteilt.
Das anglo-französische hat sich im Lauf der Jahrhunderte verändert, es gibt verschiedene Akzente (abfällig werden Akzente allgemein patois genannt, erwähnt werden der englische und de provencialischen Akzent; auch das schottische Gälisch ist weiterhin verbreitet sowie der irische brogue).
Zusätzlich ist der König auch Heiliger Römischer Kaiser. Nach 1420 (wahrscheinlich auch eine Folge des Vertrags von Købnhavn) wurde die Kaiserkrone Erbgut der anglo-französischen Könige:
Nun, die Herzogtümer Italiens sind, wie die Herzogtümer Deutschlands übrigens auch, alle Teil des Heiligen Römischen Reichs, (...) das im Jahre 862 nach Christus gegründet wurde, und König John IV ist der Kaiser. Aber sie sind eben nicht Teil dessen, was inoffiziell das Anglo-Französische Reich genannt wird, zu dem strenggenommen nur Frankreich, England, Schottland und Irland zählen.[11]
Bei Italien handelt es sich um ein anderes als das bekannte mittelalterliche Italien, da es im Norden Gebiete an Anglo-Frankreich abgeben musste, während der Kirchenstaat nicht existiert und Sizilien ein eigenes Reich ist. Die Provinz um Rom trägt den Namen Latium.
Die italienischen Staaten haben ihr eigenes Parlament zu Rom (...). Die Beschlüsse des Parlaments werden nicht unmittelbar vom Kaiser ratifiziert, sondern vom Kaiserlichen Vizekönig Prinz Roberto VII.[12]
Größter (und einziger) Feind des Reiches in Europa ist Polen.
Das letzte halbe Jahrhundert hatten die Könige von Polen einen bemerkenswerten Ehrgeiz gezeigt. Im Jahre 1914 hatte König Sigismund III damit begonnen, eine Serie von Annexionen durchzuführen, die Stück um Stück den russischen Staaten Gebiet entrissen, so dass er bald das ganze Territorium zwischen Minsk und Kiew beherrschte. Solange Polen gegen Osten strebte, hatte das Anglo-Französische Reich dagegen nichts einzuwenden. Das Herrschaftsgebiet des Reiches hatte sich in der Neuen Welt rapide ausgedehnt, und Asien schien damals noch sehr fern zu sein.
Doch Sigismunds Sohn, König Casimir IX, hatte Probleme mit seinem Quasi-Reich. Er wagte es nicht, weiter nach Osten vorzudringen. Die russischen Staaten hatten in den frühen dreißiger Jahren einen losen Bund errichtet, und der König von Polen beendete seinen Vormarsch. Sollten sich die Russen jemals tatsächlich vereinen, so wären sie ein ernstzunehmender Feind.
> Nun blickte Casimir IX nach Westen auf die deutschen Staaten, die so lange ein Puffer zwischen Polen und den anglo-französischen Grenzen gewesen waren. Aufgrund des Tauziehens zwischen Polen und dem Reich hatten die Deutschländer ihre eigene Unabhängigkeit bewahren können. Wollten Casimirs Truppen beispielsweise in Bayern einmarschieren, so würde Prinz Reinhard VI das Reich um Hilfe bitten, die er auch prompt erhalten würde, wollte jedoch anderseits King John IV auch nur einen einzigen Sovereign Steuer in Bayern eintreiben, so rief Seine Hoheit von Bayern ebenso lauthals um polnische Hilfe.
Da seine ehrgeizigen Pläne augenblicklich nicht verwirklicht werden konnten, versuchte Casimir statt dessen, so gut er konnte, das Anglo-Französische Reich zu zerbrechen, es bis zur Hilflosigkeit zu schwächen, bevor er versuchen konnte, die Deutschländer mit Waffengewalt zu erobern.[13]
Darcys Polen ist wesentlich größer als das Polen unserer Gegenwart. Laut Kurland ist Polen im Osten sogar bis Smolensk erweitert.[14] Damit umfasst Darcys Polen im Osten die baltischen Staaten (Michael Kurland konnte es sich nicht verkneifen, den polnischen Prinzen zum König von Kurland zu machen. Dieses Kurland war bis 1923 ein Herzogtum und wurde dann Königreich.[15]), Weißrussland, Teile von Russland (zumindest Smolensk und Königsberg [gemeint ist hier offensichtlich das ehemalige Deutschordensgebiet um Danzig und Königsberg, Lyck und Kulm]) sowie die Ukraine samt Odessa (sie wurde in Darcys Welt in den frühen 1930ern von Polen annektiert).
Im Süden umfasst Polen den Banat (im Mittelalter waren dies die südlichen Grenzmarken Ungarns von Agram bis Belgrad, von 1552-1718 waren sie osmanisch, der größte Teil ist heute serbisch) und Ungarn (die Maygaren mit der Hauptstadt Buda-Pest; beide Stadtteile sind in dieser Welt nicht – wie 1873 in unserer Welt – zu einer Stadt Budapest zusammengewachsen).[16]
Die Hauptstadt Polens ist die alte Königsstadt Krakowa (Krakau). Hofsprache ist Burgdeutsch, das brandenburgische Deutsch.
Analog zum 1. Weltkrieg gab es in dieser Welt 1914 einen Krieg, doch hier kämpfte Polen gegen die Russen. König Casimir IX bestieg 1937 den Thron. Zwei Jahre später kam es (analog zum 2. Weltkrieg) zum Krieg gegen das Reich und seine skandinavischen Verbündeten. Doch diesen Krieg, bei dem die polnische Flotte aus dem Baltikum ausbrechen wollte, verlor Polen:
Der Vertrag, den wir ihm nach dem Krieg von ’39 aufgezwungen haben, verbietet es jedem bewaffneten polnischen Schiff, den Vierzehnten Meridian zu überqueren, während kein Reichsschiff in umgekehrter Richtung über den Zehnten Meridian hinaus fahren darf. Damit kann die polnische Flotte weder die Ostsee noch das östliche Mittelmeer in Richtung Westen verlassen. Die politische Weltlage ist in Europa sehr labil. Nachdem sie soviel russisches Gebiet annektiert hatten, wie es ihnen möglich war (...), versuchten sie nun, nach Westen an die Grenzen des Reiches vorzudringen. Seit Jahrhunderten waren die Deutschländer eine Pufferzone (...) gewesen. Als Teil des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches schuldeten sie zwar theoretisch dem Kaiser die Treue (...). Auch King John hatte keinerlei Ambitionen, die Deutschländer seinem Reich einzuverleiben. Eine solch aggressive Politik war nicht mehr modern, es gab genug Gebiete in der Neuen Welt, auch wenn es den Reichstruppen sicherlich ein leichtes gewesen wäre, in der Lombardei oder in Nordspanien einzumarschieren. Kurland beschreibt die Eroberungen ein wenig anders: Mitte der dreißiger Jahre hatte König Sigismund III den größten Teil des Gebiets von Reval im Baltikum bis Odessa am Schwarzen Meer annektiert oder kontrolliert. Doch dann hatten die russischen Staaten im Osten eine lockere Koalition mit dem Ziel gebildet, eine riesige Armee auszuheben, um weiteren polnischen Expansionen Einhalt zu gebieten. Und da zu dieser russischen Koalition auch Staaten tief im Herzen Asiens gehörten, hätte diese Armee wirklich sehr riesig werden können. Die Deutschländer (offensichtlich die deutschen Kleinstaaten und Österreich) verbleiben in der Kleinstaatlichkeit, die einzelnen Staaten (wie Bayern, Hannover, Hessen und Preußen) scheinen aber politisch keine große Rolle zu spielen. Seit dem Konkordat von Magdeburg dürfen sich die deutschen Herrscher nicht König nennen. Ebenso ergeht es Russland in seiner Kleinstaatlichkeit, das aus vielen russischen Staaten (wie der Prinzipalität von Vladistov [Wladiwostok?]) besteht. Es werden noch weitere europäische Staaten genannt: • Dänemark • Mailand (ein Großherzogtum; dies wirft die Frage auf, wie groß die anglo-französische Lombardei ohne Mailand noch ist) • Norwegen (die Existenz Norwegens verweist auch auf die Existenz von Schweden, beide Staaten trennten sich in unserer Welt erst 1905). • Piemonte (die Gegend um Turin samt Großherzog, zum Fürstentum wurde es geschichtlich schon 1424) • Roumeleia (Dies ist Griechenland im Süden Polens mit einem kaiserlichen Herrscher – Basileus genannt – namens Kyril in Konstantinopel, der sich Sorgen wegen der Osmanlis macht. Die Griechen kontrollieren Bosporus und Dardanellen und sind daher wichtige Bündnispartner Anglo-Frankreichs. Roumelia ist wohl nach der ehemaligen osmanischen Provinz Rumelien benannt, die später zu Rumänien gehörte – daher die Namensähnlichkeit zwischen Roumeleia und Rumänien.) • Rumänien • Spanien (Granada ist in der Hand der Mauren, Nordspanien untersteht dem König von Aragonien bzw. Aragon – die Reconquista mit der Eroberung Spaniens aus der Hand der Mauren hat in dieser Welt nie stattgefunden.) • die Türkei (Osmanlis genannt – formal gehören sie aber nicht zu Europa, da sie ihre europäischen Besitzungen an Griechenland verloren haben. Der Osmanische Sultan heißt Abd-ul Hamid. ) • Venedig (das Großherzogtum Venetien) In Nordafrika gibt es arabische Reiche (wie auch in Südspanien), in denen der Islam die vorherrschende Religion ist. Auch gibt es ein Ägypten mit der Hauptstadt Alexandria. Abidjan (heute Elfenbeinküste) ist in Hand der Ashanti. Im Sudan gab es zumindest um 1930 herum einen Einsatz der Engländer. Anglo-französisch scheint es jedoch nicht zu sein, sondern eine unabhängige Nation. Genannt wird auch Mahdia, scheinbar handelt es sich hier um das Gebiet um die ehemalige Hauptstadt von Tunesien (200 km südlich von Tunis). Der Sultan von Hafsid scheint in der Nachfolge der Almohaden zu stehen, die circa 1229 ein Reich im nördlichen Zentralafrika (Tunesien und das östliche Algerien) schufen. Der bekannteste Sultan von Hafsid dürfte al-Mansur (eigentlich al-Mustansir bi-Allah) sein. In unserer Welt wurde es 1574 Teil des ottomanischen Imperiums. Von Asien werden Persien (samt dem Shah von Persien) und Rajastan (in Nordindien) samt dem Maharadscha genannt. Amerika ist in Neufrankreich (Südamerika) und Neuengland (Nordamerika) geteilt. Die anglo-französischen Besitzungen sind in Herzogtümer aufgeteilt. Auf den Landkarten, die ihr zu Hause gesehen haben werdet, wird die gesamte nördliche Hälfte dieses großen Kontinentes „Neuengland“ genannt, das von den der Von-Helsing-Landenge bis weit in den Norden reicht (...) „Neuengland“ besteht aus einer Gruppe von anglo-französischen Kolonien, die wahllos entlang der Ostküste dieses riesigen Kontinents verstreut sind. Sie sind völlig von Eingeborenenstämmen umgeben. Der größte Teil des Landes, der um die nördlichen Kolonien herum liegt, steht unter der Kontrolle des einen oder anderen Stammes aus den Fünfzehn Nationen (...). Die erste Landung im Gebiet des heutigen Mexiko fand 1569 statt. Einige Herzogtümer sind bekannt: Couba (unser Kuba), Eucatanne, Mechicoe (unser Mexiko), Misogohelli, Nova Burgundia, Nova Centia, Nova Hebridia , Robertia („Robertia war ein Herzogtum an der Südküste des Nordkontinents der westlichen Hemisphäre, Neuengland, dessen Küste an den Golf von Mechicoe anrainte. Es war nach Robert II benannt worden, unter dessen Regentschaft es im frühen achtzehnten Jahrhundert gegründet worden war.“ ) und die Saytchem-Insel, der Ort der anglo-französischen Niederlassung Nova Eboracum bzw. New Borkum. Die Lage der beschriebenen Stämme lässt auf Long Island mit New York schließen ... In Nordamerika gibt es weiter Kämpfe gegen die roten Ureinwohner, scheinbar ist nur die Ostküste in europäischer Hand. Die Indianer gelten jedoch nicht als unzivilisiert: Die Zwölf Nationen, wie sich die Stammeskonföderation an der Nordostküste selbst nennt, besitzen eine Zivilisation, die ebenso alt und, äh, zivilisiert ist wie unsere. Wir verfügen lediglich über die überlegenen Gewehre und die überlegene Magie. Wäre es andersherum, so hätten sie hier [in Europa, HR] Kolonien und würden sie „Neu-Seneca“ oder „Ost-Iroquois“ nennen. Bei diesen Zwölf Nationen scheint es sich – Seneca und Irokesen (Iroquois) werden von Kurland genannt – um eine Weiterentwicklung des Völkerbunds der Irokesen zu handeln, der sogenannten Sechs Nationen (Cayuga, Mohawk, Oneida, Onondaga, Seneca und Tuscarora). Diese Weiterentwicklung macht Sinn, da sich diese Liga eigentlich um 1570 als Fünf Nationen begonnen hatte und 1715 einen weiteren Indianerstamm aufnahm. Geschichtlich reichte Iroquoia, das Territorium der sechs Irokesenstämme, von North-Carolina bis nach Quebec und Ohio. Gegen Ende der LORD DARCY-Serie sind es Fünfzehn Nationen, „jene lose Konföderation eingeborener Stämme des Nordostens“. Wer beigetreten ist, bleibt unklar. Es werden auch unabhängige Stämme genannt, die mit den Anglo-Franzosen in Frieden leben bzw. Teil der Indianernation sind: Catahaw (evtl. sind die Catawba aus South Carolina gemeint), Choctaw (Mississippi und Alabama), Mahican (uns unter dem Namen Mohikaner bekannt, sie siedelten nördlich des Hudson), Mulgawa (?), Osage (südliches Missouri und nördliches Arkansas), Pequot (Connecticut und Long Island), Quapaw (Arkansas), Tunica (Mississippi und Louisiana), Tuskegee (scheinbar Tennessee nahe Long Island), Wappinger („The Wappinger Indians are a long forgotten grouping of seven tribes who […] were living on the Eastern part of the United States, in what is now the area between Bronx and Rhinebeck on the east side of the Hudson River. The territory of the Wappinger extended from the Hudson to the Taconic mountains on the New York/Connecticut border.” ). Die genannten Siedlungen FitzLeeber-Land und Garretton sind nicht zu lokalisieren, ich halte sie für Verweise Kurlands auf Fritz Leiber und Randall Garrett. Es gibt weiterhin ein aztekisches Reich, das seit der „Schlacht der Drei Gefangenen“ die magische Überlegenheit des anglo-französischen Reichs akzeptiert hat und mit diesem in einem mehr oder weniger stabilen Frieden lebt. Die Sprache der Azteken ist Nahuatl. Die Hauptstadt der Azteken ist Tenochtitlan im aztekischen Herzogtum Mechicoe. Die Rolle dieses Herzogtums ist zwiespältig: „Ihr wisst wohl auch, My Lord“, fuhr Lord Peter fort, „dass es zwei Herzöge von Mechicoe gibt. Einen von uns, den Vater Eures Freundes, und einen von ihnen. Und es gibt zwei Herzogtümer. In diesem Fall jedoch beanspruchen beide das gleiche Territorium. (...) Die eingeborenen Herzöge, die zum Anglo-Französischen Reich überwechselten und das Christentum übernahmen, wie de Mechicoe und d’Eucatanne, werden als das akzeptiert, was sie sind. Aber es waren auch neue Herzöge dafür vorgesehen, ihren Platz einzunehmen. Das ergibt einen merkwürdigen Sinn. Schließlich hat der Adel der Azteken eine zusätzliche religiöse Funktion, an der ihre christlichen Vettern nicht teilhaben konnten.“ Ähnliches wie für Neuengland gilt für Neufrankreich, wo immer noch im Dschungel die Eingeborenen bekämpft werden. Als Strafversetzung kommt eine winzige, kalte Insel vor der Südküste Neufrankreichs in Frage, wo man nur Pinguine zählen kann (gemeint sind hier wahrscheinlich die Falklands). Wirtschaftlich sind die Ländereien in der neuen Welt sehr wichtig: Der Reichtum des Anglo-Französischen Reichs lag in der Neuen Welt. Der Import von Baumwolle, Tabak und Zucker, ganz zu schweigen von dem Gold, das man auf dem südlichen Kontinent gefunden hatte, bildete das Rückgrat der beständig wachsenden Reichswirtschaft. Aus Nordamerika importiert man auch Kaffee und Tabak aus dem Herzogtum Couba, dazu kommt der mechicanische Schnaps Popocotapetl, der aus Kojotenkraut (englisch: Coyote weed) gebraut wird.

Heiler, Heilige und Hexer Die – neben dem geänderten Geschichtsverlauf – wichtigste Änderung ist die Rolle der Magie in der LORD DARCY-Welt. In dieser Welt existiert Magie als natürlicher Wissensbereich. Die Magie beruht auf theoretischen Grundsätzen: Als jenes brillante Genie, St. Hilary Robert, im vierzehnten Jahrhundert die Gesetze der Magie ausgearbeitet hatte, konnten „Blutegelsetzer“ und „Mediziner“ vom Kirchturm des kleinen englischen Klosters Walsingham, wo St. Hilary lebte, ihre eigenen Totenglocken vernehmen. Nicht jeder konnte diese Gesetze anwenden, nur wer das Talent dazu hatte. Die Grundlagen der Magie beruhen auf den vier klassischen Elementen: Elementale, mein lieber Doktor. Eine psychische Projektion, die von den vier Aggregatzuständen der Materie symbolisiert wird: feste Materie, Flüssigkeit, Gas und Plasma. Oder Erde, Wasser, Luft und Feuer, wie man es früher nannte. Das Talent findet sich in einigen Völkern oder Familien stärker. So haben einige schottische Familien es stärker: It’s in the blood. Some attribute it to the Dedannans, who passed through Scotland before they conquered Ireland three thousand years ago, but, however that may be, the Talent runs strong in the Sons of Gael. Die Dedannans – uns eher als Tuatha de Danann bekannt – waren eine Gruppe der mystischen früheren Bewohner Irlands. Aber nicht nur die Schotten verfügen über die Anlage zum Talent: Natürlich konnte er [Lord Darcy] immer noch keinen der Zauber selbst bewerkstelligen, denn noch kein so großes magisches Wissen konnte das Talent ersetzen. Und wenn es daran fehlte, dann funktionierte die Magie einfach nicht. (...) Genau wie Haar- und Augenfarbe, Farbenblindheit, hohe Intelligenz und die Fähigkeit zu regieren, schien diese Eigenschaft erblich zu sein. Man hatte eine viel größere Chance, wenigstens über eine Spur von magischem Talent zu verfügen, wenn die Eltern Kelten waren und nicht, beispielsweise, Friesen. Wenn die Eltern Normannen waren, konnte man sein ganzes Leben lang in einen Kristall starren und niemals etwas anderes darin sehen als das eigene Spiegelbild. Die Polen waren ebenfalls ein Volk bar jeden magischen Talents. Aber die König Kasimir untertänigen Maygaren besaßen es dafür in einem solchen Übermaß, dass das Gleichgewicht gewahrt blieb. Zusätzlich gibt es auch einzelne, die „parapsychisch blind“ sind; diese Menschen können Magie nicht nur nicht wirken, sondern überhaupt nicht wahrnehmen. Das Talent und seine Weitergabe werden gefördert. So gibt es für Kinder magische Spiele, welche das Talent unterstützen sollen. Der Talentmissbrauch wird schwer bestraft. Es gibt Hexenschulen, magische Lehrbücher („Grimoire“ genannt), ein magisches Fachblatt (das „Journal der Königlichen thaumaturgischen Gesellschaft“) und alle drei Jahre findet ein Kongress statt, auf dem magische Theorien ausgetauscht werden. Talentierte Menschen können – je nach Veranlagung – Heiler oder Hexer werden. Ein Hexer wird erst Lehrling, dann Wanderhexer und zuletzt Meisterhexer. Viele Hexer spezialisieren sich auf ein Gebiet, so wie die Gerichtshexer. Einige Sondergaben (wie die Hexen-Riecher, welche Magie erfühlen können) werden einzeln ausgebildet. Die Welt der Magier ist klar sortiert; jede Gruppe hat ihre Standessymbole und Zuständigkeiten: Die meisten Männer und Frauen in der Halle trugen die den Hexern und Hexen angemessene hellblaue Kleidung, doch waren unter ihnen auch viele Flecken von kirchlichem Schwarz und einige von bischöflichem Purpur zu erblicken. In der einen gegenüberliegenden Ecke unterheilten sich vier bärtige Heiler in Rabbinerkleidung mit dem Erzbischof von York (...). Nur die Hakime, Heiler aus den verschiedenen islamischen Ländern, tragen grellere Farben.

Die Magie ist in alle Lebensbereiche vorgedrungen, besonders in die Medizin: Dank unserer modernen Heilmethoden (...) kann man durchaus das biblische Alter von dreimal zwanzig und zehn Jahren erwarten, wenn kein Unfall oder eine Gewalttat dem Leben ein vorzeitiges Ende bereiten. Weil sie eine gewaltige seelisch-geistige Last zu tragen haben, werden Könige nur selten sehr viel älter, aber ein Durchschnittsmensch kann mit einiger Zuversicht seinen hundertsten Geburtstag abwarten, und ein Vierteljahrhundert mehr ist auch alles andere als ungewöhnlich. Darüber hinaus gibt es Schutzzauber, Transmutationen, Schließzauber, Schlosszauber samt magischen Schlüsseln, magische Ausweise für Hexer, Bewahrungszauber (sogar einen Kühlschrank, der dank Magie Lebensmittel frisch hält), den klassischen Bann, magische Ausweise für Königsboten, Levitation, einen Tarnzauber (im englischen „Tarnhelm effect“ genannt), Amulette etc. Statt dem Telefon gibt es den Teleklang (im englischen Original Teleson), der aber wegen seiner magischen Komponente nicht über Wasser (wie den Kanal) hinweg funktioniert. Erst im letzten Darcy-Roman wird eine Art Funkgerät auf der Grundlage des Teleklang eingeführt. Hellsehen wird durch Schutzzauber unterbunden, um die Privatsphäre der Menschen in Wohnungen und öffentlichen Gebäuden zu schützen. Mit Hilfe der Präkognition werden Wetterveränderungen und Erdbeben vorhergesagt.

Eine Reformation hat nicht stattgefunden, so gibt es auch keine anglikanische Kirche. Das anglo-französische Reich ist katholisch (und verehrt unter anderem den Heiligen Thomas Beckett). Auch gibt es weiterhin einen Papst in Rom. Die Magie wird anerkannt, die Kirche duldet sie und arbeitet mit den Magiern zusammen (wobei sich diese christliche Kirche von unserer stark unterscheidet, so duldet sie viele heidnische Symbole [wie z.B. das Ankh oder Crux Ansata]). Doch zu dieser lichten Seite gibt es auch eine dunkle Seite samt Hölle und Satan: Die Schwarze Magie und alte Kulte wie die 1965 aufgeflogene „Alte Gesellschaft vom Heiligen Albion“. Kirche und Magier bekämpfen gemeinsam die Schwarze Magie und versuchen, ihr Herr zu werden. Die beschriebene Schwarze Magie klingt nicht sehr freundlich, wenn man von den üblichen Zutaten ausgeht: eine Flasche mit Friedhofserde, zwei mumifizierte Fledermäuse, zwei Menschenknochen, Schießpulver, das Schwefel enthielt. Nicht folgen kann ich der Ansicht, dass es sich bei Garrett um einen überzeugten Christen handelt, der seine Serie als (plumpe) schwarz-weiß Malerei gegen Schwarze Magie benutzt: Randall Garrett. Long-time SF writer underwent a conversion to Christianity toward the end of his life, the result of many years of interest. I recommend his Lord Darcy stories. (…) In this world, magic really works, but devout magicians are licensed by the Church and work to defend Christendom against evil magicians.

Ab und an erlaubt sich Garrett Seitenhiebe auf unsere moderne Wissenschaft. So besteht der Konfusionsprojektor (ein magischer Gegenstand) aus einem Symbolismus im Messingzylinder als „Hardware“ und den Formeln als „Software“ des Zaubers. Schön ist auch die beschriebene magische Taschenlampe: Sie wurde von einem Paar Zink-Kupfer-Doubletten angetrieben, die einen Stahldraht zum Glühen brachten. Der dünne Draht glühte weißlodernd und war fast so hell wie eine gewöhnliche Gaslaterne. Das Geheimnis bestand in der besonderen Behandlung des Drahts. Normalerweise würde er mit einem weißblauen Blitz verbrennen. Doch wenn man ihm mit einem bestimmten Zauber imprägnierte, glomm er anstatt zu schmelzen. Der Draht befand sich in der Mitte eines Parabolspiegels, und wenn Lord Darcy einen einfachen Knopf bestätigte, dann hatte er eine Lichtquelle zur Verfügung, die jeder gewöhnlichen Handlaterne weit überlegen war. Auch Kurland erlaubt sich solche Seitenhiebe. So beschreibt er Gegner der magischen Weltsicht, die „Paradoxen Materialisten“: „Was ist das?“ fragte Lord Darcy. „Das ist eine Sekte, die mehr und mehr an Popularität gewinnt (...). Sie glauben, dass es keine Mysterien gibt, nur Paradoxe, und dass Ihr, wenn Ihr keine Antwort auf eine Frage findet, einfach nur die falsche Frage gestellt habt. Sie sind der Meinung, dass man nichts allein auf dem Glauben aufbauen sollte, sondern dass alles untersucht, geprüft, auseinandergenommen und genauestens beschrieben werden muss und man auf diese Weise Wissen über den Aufbau des Universums erlangen kann.“ „Oh, ja“, sagt Lord Darcy, „eine dieser Sekten der Materiellen Wissenschaften. Nichts, was man nicht anfassen könnte, existiert. Jede Antwort, die sich nicht wiederholen lässt, ist eine falsche Antwort. Sie glauben, Magie sei nur eine Manifestation einer gewissen geistigen Kraft, die wir nicht verstehen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Geschichten in inhaltlicher Reihenfolge In der Gesamtausgabe LORD DARCY bemerken die Herausgeber im Vorwort: An interesting facet of this series is that the date in the story corresponds closely to the year it was written. Garret [sic] wanted to give you the feel that this was taking place now (…). So habe ich ihre Einteilung auch für die Reihenfolge der Geschichten übernommen – mit der Ausnahme von THE SPELL OF WAR, der jüngsten Geschichte, die jedoch das Kennenlernen von Darcy und seinem Hexer Sean O Lochlainn behandelt. Nur dort erfahren wir auch etwas über Darcys Alter. Zur Zeit der Handlung von THE SPELL OF WAR – dem Krieg von ’39 – war Darcy 18, so dass er zum Beginn seiner Karriere in IM AUGE DES BETRACHTERS etwa 42 sein dürfte, zum Ende seiner beschriebenen Karriere etwa 68.

THE SPELL OF WAR wurde als letzte LORD DARCY-Geschichte 1979 veröffentlicht, aber sie spielt schon 1939. Darcy nimmt als junger Mann am Krieg von ’39 teil. Sein Vater hat eine Karriere in der Armee hinter sich, doch der junge Darcy ist eher widerwillig Soldat und wünscht sich eine andere Karriere – die aber in dieser Geschichte noch nicht angedacht wird. Im Schützengraben lernt er Sean kennen, der als Hexer eigentlich freigestellt ist, jedoch kämpfen will, weil sein Land ihn braucht. Eingesetzt in Bayern erobert Darcy mit den wenigen Überlebenden seiner Einheit eine Artilleriestellung, die durch einen interessanten Zauber geschützt ist. Dieser Geschichte fehlt wortwörtlich der Zauber späterer Geschichten – sie ist kein Krimi und sie kann auch noch nicht auf den Charakter Darcys als Ermittler zurückgreifen, der das Rückgrat der folgenden Geschichten bildet.

Die 1964 veröffentlichte Geschichte IM AUGE DES BETRACHTERS spielt 1963. Mit ihr begann eigentlich die LORD DARCY-Serie. Darcy wird gerufen, um einen Mordfall zu klären. Mithilfe des „Augentests“, einer magischen Methode, mit der man das letzte Bild, das ein Sterbender gesehen hat, unter gewissen Umständen abbilden kann, wird der Mord als ein Tod durch Selbstverteidigung bei einem Fall von versuchtem Inzest entlarvt. Gerade wegen der zu Grunde liegenden Untat ist dies eine der stärksten Geschichten des Zyklus. Ein späterer Hinweis auf den Fall um Lord Duncan auf Schloß D’Evreux findet sich in KOMPLOTT DER ZAUBERER.

Im Jahre 1964 spielt EINE FRAGE DER IDENTITÄT von 1973. Es geht um Schiffe, die auf der Atlantikroute nach Amerika verloren gehen. Dieser „Atlantische Fluch“ muss von Darcy geklärt werden, bevor er der anglo-französischen Volkswirtschaft schadet. Atmosphärisch ist dies die beste und dichteste Darcy-Kurzgeschichte. Faszinierend ist die Handlung um Nebenpersonen wie Lord Seiger von Yorkshire, einen gewissenlosen Menschen und (potentiellen?) psychopathischen Mörder, der unter einem geas (Fluch) steht, der verhindert, dass er mordet. Auf diesen Fall und den „Atlantischen Fluch“ im letzten Januar wird in DER GEFÄRBTE LORD hingewiesen. Der Verweis in KOMPLOTT DER ZAUBERER spricht auch den „Atlantischen Fluch“ an, nur ist die Zeitangabe hier falsch.

DER GEFÄRBTE LORD (1965) spielt im Mai 1964. Der englische Titel THE MUDDLE OF THE WOAD bezieht sich auf das für das beim blau färben verwendete Färberwaid (engl. woad). Hier geht es um Erpressung und eine Leiche, die mit blauer Farbe bemalt ist. Dies ist ein Zeichen der „Heiligen Gesellschaft vom Alten Albion“. Dieser Geheimbund ist eigentlich eine heidnische Sekte, die sich mit Schwarzer Magie abgibt. Sie führen sich auf Kelten und Druiden zurück: Die Mitglieder der Gesellschaft glauben, dass diese Inseln eine Große Bestimmung haben, nämlich der Welt und der Menschheit Frieden und Zufriedenheit zu bescheren. Um das zu tun, müssen wir zu den Praktiken der Ureinwohner dieser Inseln zurückkehren, den keltischen Völkern, die hier vor der Invasion Cäsars im Jahre 55 vor Christus lebten. Die Anhänger der Gesellschaft haben „das Blut“, sie stammen aus Schottland, Irland, Wales, Britannien, den Orkney-Inseln, von der Isle of Man und so weiter. Reine Kelten – jedenfalls geben sie das vor. Aber manchmal lassen sie auch solche angelsächsischen, normannischen oder fränkischen Ursprungs hinein (...). Gegründet wurde sie wahrscheinlich in den 1820ern. Wegen ihrer Vorliebe für Menschenopfer wurden sie verboten. Laut der Heiligen Gesellschaft müsste der König bereit sein, sich in Zeiten der Not für sein Volk zu opfern. König William II., der Sohn von William dem Eroberer, ist angeblich – selbst ein Heide – aus diesem Grunde von der Heiligen Gesellschaft getötet worden. Seine Todesart ist in beiden Welten gleich: Er starb auf der Jagd durch einen Pfeilschuss. Während der Ermittlungen stellt es sich heraus, dass es sich nicht um einen Mordfall mit heidnischem Hintergrund handelt; die Gewalttat ist die Folge eines Beziehungsdramas. Interessant ist, wie der Leser immer wieder Schwarze Magie zu finden glaubt, während Lord Darcy – der in einer Umwelt agiert, in der Magie zum alltäglichen Wissen gehört – diese Hinweise ignoriert und weltliche Gründe sucht. In dieser Geschichte begegnet Lord Darcy erstmals seinem König. Auf die Geheimgesellschaft und diesen Fall wird später noch einmal in KOMPLOTT DER ZAUBERER verwiesen.

KOMPLOTT DER ZAUBERER erschien 1966 und handelt auch im Herbst 1966. Dies ist der erste (und einzige) Darcy-Roman aus der Feder von Garrett. Der Originaltitel TOO MANY MAGICIANS verweist nicht nur im Titel auf TOO MANY COOKS (1938), TOO MANY WOMEN (1947), TOO MANY DETECTIVES (1956) und TOO MANY CLIENTS (1960) von Rex Stout. Stouts Helden (der Detektiv Nero Wolfe samt seinem Assistenten Archie Goodwin) werden hier zu dem Marquis von London als Polizeichef und seinem Assistenten Lord Bontriomphe (letzteres eine nette Anspielung auf Goodwin). Aber auch die sonstige Ausstattung stimmt: Im Büro des Marquis von London stehen genauso wie bei Nero Wolfe roter Ledersessel und Globus, auch die Gemälde und sogar der benachbarte Alkoven mit dem Sichtfenster in den Besprechungsraum sind vorhanden. Der Parallelwelt-Wolfe ist auch hier dick und unbeweglich, während der gutaussehende Parallelwelt-Archie die Fußarbeit erledigen muss. Am Ende gipfelt alles (wie immer bei Stout) in einer Gegenüberstellung aller Beteiligten samt Aufklärung des Mordes. Aber die Anspielungen auf den Detektiv-Roman gehen noch weiter. Ashley, der Mitarbeiter des Marine-Geheimdienstes, ist eine Anspielung auf James Bond, der auch Marineoffizier war. Passenderweise heißt sein Auftraggeber Zed bzw. Z – nicht M, scheinbar gingen hier früher die Buchstaben aus. Zed wiederum ist auch eine Anspielung auf den Terroristen-Anführer Zed aus der „The Man From U.N.C.L.E“-Folge „The Odd Man Affair“ (1965). Darcy selbst ist – sowohl in seiner Paarung mit dem kleinen, dicken Hexer Sean, durch Angewohnheiten wie das Rauchen von Pfeifen mit Porzellankopf als auch durch den Hintergrund des nebligen Londons – eine Hommage an Sherlock Holmes. Wie heißt es so schön: „Once we have eliminated the impossible,” Lord Darcy said calmly, „we shall be able to concentrate on the merely improbable.“ Dies ist ein braves Zitat der Holmes-Aussage in Doyles THE SIGN OF FOUR (1890). Eine besonders schöne Anspielung erlaubt sich Garrett dadurch, dass er den Marquis von London und Darcy zu Cousins macht – während Sherlock Holmes und Nero Wolfe Vater und Sohn sind. Der Chef der Magiergilde, Sir Lyon Gandolphus Grey, ist durch Namen und Aussehen eine Anspielung auf Gandalf den Grauen: Der Großmeister war eine imposante Figur, hochaufgeschossen, schlank, ja fast abgemagert, und doch mit einer Aura der körperlichen und geistigen Kraft umgeben. Sein Haar war silbriggrau, ebenso der recht lange Bart, den er zu tragen beliebte. Seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und hatten einen stechenden Blick, seine Nase war dünn und gradlinig, seine Augenbrauen traten buschig hervor. Einige Anspielungen sind mir entgangen. Flint und Gordon sprechen von drei Verweisen auf die Fernsehserie „The Man From U.N.C.L.E.“, von denen zwei genauso an mir vorübergegangen sind wie die eine Anspielung auf „The Pink Panther“. Der Roman beginnt wie ein magieloser Alternativwelt-Roman. Erst später dringt die Magie unauffällig in die Handlung ein: Er wusste sehr gut, dass dieser Teil der Admiralitätsbüros durch mächtige und teure Zauber sorgfältig geschützt war. Es geht um zwei Mordfälle, einer in London, einer in Cherbourg. Beides sind „locked room mysteries“, in denen anfangs weder Motiv, noch Täter noch Tatwaffe bekannt sind und der Mord in einem geschlossenen Raum stattgefunden hat. Alles lässt auf den Einsatz von Schwarzer Magie schließen, daher wird Darcy eingesetzt. Am Ende werden beide Mordfälle zu einem Fall, eine Verschwörung gegen das Reich wird aufgedeckt und einer der Helden ist in Wirklichkeit der Mörder. Interessant ist, dass das erste Kapitel aus der Perspektive des Mörders erzählt wird, der gerade seinen ersten Mord begangen hat. Erst gegen Ende bekommt man mit, dass er diesen Mord nicht im Geheimdienstauftrag klären wollte, sondern selbst der Mörder war. Besonders lustig ist es mit anzusehen, wie Darcy und der Marquis sich den Mordfall immer gegenseitig zuschieben, damit der jeweils andere ihn bearbeiten muss. So wird in einem Fall Sean vom Marquis beschuldigt, damit Darcy sich um den Fall kümmert – worauf dieser Beweise dafür sammelt, dass Bontriomphe der Täter ist, damit sich seinerseits der Marquis um den Fall kümmern muss. Nicht nur Doyle weist gerne auf frühere Fälle hin, die er dann nicht näher beschreibt – Garrett macht es ihm nach. So gibt Hinweise auf „die seltsamen Gewohnheiten des einarmigen Kesselflickers auf dem Michaeli-Fest“, „den fehlenden Magier in der Erpressungsaffäre von Canterbury“ und „die merkwürdige Affäre um Lady Overleighs Massivgoldnachttopf“.

EINE FRAGE DER VORSTELLUNGSKRAFT, 1973 erschienen, spielt im Oktober 1972. Bei diesem – eher einfachen – Mordfall handelt es sich um einen Selbstmord, der sich als Mord entpuppt (der jedoch ohne Magie auskommt).

Im April 1974 beginnt EINE SACHE DER SCHWERKRAFT, die Geschichte wurde auch 1974 veröffentlicht. Hier wird „moderne“ Wissenschaft verwendet („khemische Künste“ genannt), die sich in der Darcy-Welt dank der Magie nie so weit entwickelt hat wie unsere Wissenschaft. Auch hier wird Magie (in diesem Fall: der Glaube an Schwarze Magie und die Existenz eines Dämons, der das Verbrechen begangen haben soll) nur benutzt, um den Mord an Comte de la Vexin zu tarnen, der aber auf wissenschaftlichen Prinzipien beruht. Auch dieser Mord geschieht in einem geschlossenen Raum.

BITTERES ENDE: 1978 veröffentlicht ist hier die Handlungszeit nicht ganz eindeutig (Oktober wird genannt – viel spricht für Oktober 1974). In Paris wird ein Giftmord verübt, der sich als inszenierter Mord entpuppt, um einen Ehemann zu beseitigen. Der Ermordete hat sich in Neufrankreich mit der Malaria infiziert und verwendet einen Trank aus Cinchonarindentinktur, um die Krankheit im Griff zu behalten. Tatsächlich wirkt Chinin gegen Malaria, und unser Chinin wurde auch aus Chinchonarinde gewonnen. Da das Mittel bitter schmeckt, wurden seine Geschmacksnerven magisch behandelt, damit sie den unangenehmen Geschmack nicht wahrnehmen (daher der doppeldeutige Titel der Geschichte). Diesen Umstand machen sich die Giftmörder zu eigen, da das Opfer den bitteren Geschmack des Gifts daher nicht erkennen kann. Aber natürlich hat er nicht mit Lord Darcy gerechnet ... Darcy transportiert in dieser Geschichte die Akten zum Fall Zellerman-Blair, der sich kurz vor den Ereignissen in BITTERES ENDE zugetragen haben muss.

Diese DIE IPSWICH-PHIOLE erschien vor BITTERES ENDE schon 1976, spielt aber danach. BITTERES ENDE spielt Oktober 1974, in DIE IPSWICH-PHIOLE wird das Mittsommerfest genannt, um das sich ein Teil der Handlung dreht – wahrscheinlich spielt die Geschichte also im Juni 1975. Dies ist eine Geheimdienst-Geschichte um eine aus einem Forschungslabor (dem Ipswich-Labor für geheime Magieerforschung) entwendete Phiole, die Darcy wiederbeschaffen muss. Diese Phiole erzeugt – wenn angewandt – magische Dunkelheit; einen Effekt, der besonders im Krieg sehr interessant sein dürfte. Eingerahmt in ein Fest in St. Mathée (englisch: St.-Matthew’s-Church) samt der dort auftauchenden Zigeuner taucht Darcy in die Welt der Geheimdienste ein. Die polnische Agentin Olga Polovski trägt die Agentennummer 055. Der getötete Geheimagent hinterlässt einen Hinweis auf sie, den Darcy erst als OSS liest, ohne ihn verstehen zu können. Der Hinweis auf die 055 entgeht dem Leser ebenso, weil er die Verbindung zum US-Geheimdienst OSS („Office of Strategic Services“) herstellt, dem Vorgänger des CIA. Durch einen Liebeszauber verfällt Darcy der polnischen Agentin, aber er kann die Phiole trotzdem zurückgewinnen und den Fall lösen (nachdem er eine Liebesnacht mit der Agentin verbracht hat).

Auch vor BITTERES ENDE 1976 erschienen, spielt DIE SECHZEHN SCHLÜSSEL nach DIE IPSWICH-PHIOLE (eventuell im Spätsommer 1975). Ein Lord stirbt überraschend, altert in wenigen Minuten und verfault. Es handelt sich aber nicht um Schwarze Magie, sondern er unterlag freiwillig einem Zauber, der ihn jugendlich wirken ließ. Wie bei DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY von Oscar Wilde holt er aber den Alterungsprozess spontan nach, als der Zauber endet. Er trug vor seinem Tod wichtige Geheimdokumente bei sich, die Darcy nun in seinem Landhaus suchen muss. Es geht um einen Vertrag mit Griechenland über gegen Polen gerichtete Flottenkontrollen im Mittelmeer. Dank cleverer Logik findet Darcy die Dokumente und diese können nun nach Griechenland weitergeleitet werden. Schön ist die enthaltene Anspielung auf die Einleitung zur Fernsehserie „Dragnet“: Only the name has been changed to protect the guilty.

DER NAPOLI-EXPRESS erschien 1979 und spielt wahrscheinlich 1975. In der Geschichte wird auf den Kongress aus KOMPLOTT DER ZAUBERER hingewiesen, der vor ein paar Jahren stattgefunden haben soll. Da der Kongress 1966 war, ist 1975 als Handlungszeitraum realistisch. Darcy und sein Begleiter werden beauftragt, den aus DIE SECHZEHN SCHLÜSSEL bekannten Geheimvertrag mit Griechenland mit dem Napoli-Express Richtung Griechenland zu bringen. Im Zug passiert ein Mord an einem als Ablenkung mitreisenden anglo-französischen Geheimdienstmitarbeiter. Jeder der anderen Mitfahrer hat das Opfer gekannt, scheinbar handelt es sich um einen gemeinsamen Mord aus Rache. Garrett verarbeitet hier eindeutig Motive aus MORD IM ORIENTEXPRESS von Agatha Christie (1934). Viel ist in beiden Werken gleich oder ähnlich: Der Detektiv, der zufällig im Zug ist, der Mord an einem Mitreisenden, den die meisten anderen gekannt (und aus unterschiedlichen Gründen gehasst oder abgelehnt) haben, der Bekannte des Detektivs, der zufällig an Bord ist, die genaue Untersuchung (und Beschreibung) des Wagens und seiner Abteile. Aber Garrett liefert nicht die erwartete Lösung, dass das Opfer gemeinsam getötet worden ist, sondern er löst den Fall überraschend anders auf.

Mit DER NAPOLI-EXPRESS war 1979 die letzte Garrett-Darcy-Geschichte erschienen. Michael Kurland schrieb zwei weitere Romane über den magischen Ermittler. Er hatte sich vorher schon für diese Aufgabe qualifiziert, denn 1969 erschien THE UNICORN GIRL. Über dieses Buch fand ich folgenden Verweis: Interestingly, Kurland’s own sf novel, (…) though not a Lord Darcy novel, is partially based in Lord Darcy’s alternate-reality timeline. It was written while Garrett was very much alive and well, undoubtedly with Garrett’s knowledge and approval. Presumably, this is why Kurland got the commission to write the continuation of the Lord Darcy series almost two decades later. Dies Buch ist eigentlich der Mittelteil einer Trilogie, von der nur der zweite Teil von Kurland ist (Teil 1 ist THE BUTTERFLY KID von Chester Anderson, Teil 3 THE PROBABILITY PAD von T. A. Waters). Kapitel 9 bis 11 von THE UNICORN GIRL spielen in einer Alternativwelt, die eindeutig die Heimat von Lord Darcy ist (darauf verweisen neben bekannten Personen aus den Garrett-Geschichten der Teleklang, das Angevin-Empire, Neuengland, die Herrschaft der Plantagenets etc.). Beim Verhör der Alternativwelt-Reisenden kommt es zu folgendem unterhaltsamen Dialog zwischen dem einheimischen Beamten und dem dimensionsreisenden Autor: „First let me take down your names (...).“ „Michael Kurland”, I told him. „Kurland”, he repeated. „Polish?” „No, American.” „I just wondered. We’re having a little disputed with the Polish Empire right now. It wouldn’t have affected you in any case. I would have just had to warn you not to speak Polish around here; you’d keep getting turned in for a spy.” Da Kurland die Darcy-Serie später fortsetzte und er hier nie der Handlung der Darcy-Geschichten Garretts widerspricht, würde ich diesen Teil als halb-kanonisch einstufen wollen – die Kapitel sind Teil des Darcy-Universums, gehören aber nicht zum zwingenden Lesestoff dazu. Kurland führt auch wenige neue Ereignisse ein. Die Dimensionsreisenden treffen in Nordamerika (hier: Neuengland) auf Personen aus dem Darcy-Universum. Die in KOMPLOTT DER ZAUBERER auftauchenden Thomas Leseaux (ein Magie-Theoretiker) und Tia sind inzwischen verlobt. Am Ende machen sich die Dimensionsreisenden auf, um UFOs zu bekämpfen. Inhaltlich ist dies kein Krimi, von den erwähnten neuen Informationen her ist sie ziemlich banal, eine Handlungszeit kann nicht angegeben werden – aber mit diesem Beitrag qualifizierte sich Kurland schon zu Garretts Lebzeiten als idealer Erbe für die LORD DARCY-Reihe.

ZEHN KLEINE ZAUBERER: 1988 geschrieben, spielt diese Geschichte von April bis Juni 1988, also dreizehn Jahre nach dem letzten Auftauchen von Lord Darcy. Damit hält sich Kurland an Garretts Vorgabe, die Geschichten im Vergleich Realzeit – Handlungszeit parallel laufen zu lassen. König John IV sitzt immer noch auf dem anglo-französischen Thron. Lord Darcy wurde inzwischen befördert und ist nun Oberster Ermittlungsrichter des Königlichen Adelsgerichtshofs. Seine Beziehung zu Mary von Cumberland ist gewachsen, inzwischen sind die beiden seit etwa zehn Jahren (mehr oder weniger offiziell) ein Paar. Im Rahmen einer großen Feierlichkeit, zu der auch viele fremdländische Gäste eingeladen sind, soll dem jüngeren Sohn des Königs der Titel Prinz von Gallien verliehen werden. Da sein älterer Bruder das Gelehrtenleben der Königswürde vorzog, ist er wahrscheinlich der nächste anglo-französische König. Im Vorfeld dieser Feierlichkeiten gibt es Hinweise auf einen Anschlag gegen ihre Majestät – spät, fast zu spät, stellt sich jedoch heraus, dass kein Anglo-Franzose das Ziel des Anschlags ist, sondern der auch als Gast angereiste polnische Thronfolger. Es kommt zu einer Reihe von Morden an Hexern in der Reihenfolge eines Kinderreims („Zehn kleine Zauberer“ ist die erste Zeile davon). Darcy braucht ein wenig, um den Fall zu entwirren. Eingebettet sind wieder einige Morde in verschlossenen Räumen, die – wie schon so oft – nur vordergründig mit Schwarzer Magie zu tun haben. Kurland ist ein guter Autor, doch er reicht an Garrett nicht heran. Natürlich hat Kurland das Problem, das er sich in einen fremden Kosmos eindenken muss (was ihm – bis auf wenige Ausnahmen – gelungen ist). Aber er übertreibt die Anspielungen auf Krimis. Im Darcy-Universum kam inzwischen eine Krimi-Welle auf, und so werden seine bekanntesten Fällen auch veröffentlicht. So gibt es Krimis zu EINE SACHE DER SCHWERKRAFT, KOMPLOTT DER ZAUBERER und EINE FRAGE DER VORSTELLUNGSKRAFT. Aber auch unbekannte Fälle Darcys (wie das unglaubliche Verschwinden der Barkasse „Lady Jeanne“ im Hafen Portsmouth) werden in Krimis verarbeitet. Kurland spielt auch immer wieder (und im Übermaß) auf andere Krimi-Autoren an. So taucht die Psychoanalyse als Heilmittel auf (eine Anspielung auf Nicholas Meyers SHERLOCK HOLMES UND DER FALL SIGMUND FREUD [THE SEVEN-PER-CENT-SOLUTION, 1974]?), Darcy wird – wie der späte Holmes – mit Bienenzucht in Verbindung gebracht und ein weiterer Cousin des Marquis von London, der Hofkämmerer Marquis Sherrinford (benannt nach Holmes Bruder) wird eingeführt. Die für den Marquis von London (die Alternativwelt-Version von Nero Wolfe) arbeitenden Edelmänner S. Panser, O. Cather und J. Keems sind natürlich alternative Versionen von Wolfes Mitarbeitern (wobei hier Saul Panzer zu Saul Panser wurde). Der neue Geheimdienstchef heißt a la Bond wirklich Q bzw. Lord Peter Whiss (eine Anspielung auf Dorothy L. Sayers Krimis um Lord Peter Wimsey?). Der Titel und die Handlung des Mordens in der Reihenfolge der Strophen eines Kinderliedes ist eine Anspielung auf ZEHN KLEINE NEGERLEIN von Agatha Christie.

1989 wurde EINE STUDIE IN ZAUBEREI veröffentlicht, diese Geschichte spielt von März bis Juni 1989. Lord Darcy wird nach Neu-Amerika gerufen, um dort einen Mord an einem aztekischen Prinzen aufzuklären. Dieser Mord muss geklärt werden, bevor ein Vertrag zwischen Azteken und Anglo-Frankreich über ihre Interessengebiete in Amerika geschlossen werden kann. Interessant ist, dass hier eine Form von Telepathie zwischen eineiigen Zwillingen eingeführt wird (das „Gemini-Geheimnis“), die eine Kommunikation ohne Zeitverzögerung erlaubt. So wird Lord Darcy in England schon einen Tag nach dem Mord in Neuengland informiert und auf die einwöchige Reise über den Atlantik geschickt. Kurland schafft es hier, einige faszinierende Figuren wie den Herzog von Arc bzw. d’Arc (im englischen ein schönes Wortspiel ...) zu schaffen. Der schon in KOMPLOTT DER ZAUBERER auftauchende Lord Quetzal hat in dieser Geschichte eine tragende Rolle als Vermittler zwischen der aztekischen und der anglo-französischen Kultur. Dieser Roman ist eine gute Mischung aus diplomatischer Politik, Krimi und Lebensschilderung. Kurland kann mit dem wilden Nordamerika besser umgehen als mit den Schilderungen von europäischen Höfen. Der Titel selbst ist eine Anspielung auf die Holmes-Geschichte A STUDY IN SCARLET (1887). Auch werden wieder frühere Fälle – der Fall der Comfiture-Diamanten und die Sache mit Lord Champhire und den trainierten Pelikanen – erwähnt.

Abschließende Betrachtungen Die deutsche Ausgabe behandelt LORD DARCY etwas stiefmütterlich. Die deutsche Sammelausgabe bringt die Beiträge in der Reihenfolge 5, 2-4, 6, 7, 9-11 und 8. Dies macht den Lesefluss nicht gerade einfacher, und für das Verständnis der Gesamtgeschichte ist es nicht hilfreich. Auch hat LORD DARCY in Deutschland nie die Würdigung erhalten, die er als clevere Mischung aus Krimi und Alternativwelt-Geschichte eigentlich verdient. Zur Tradition, in der die LORD DARCY-Serie steht, habe ich eingangs schon etwas gesagt. Schade ist, dass die Serie nach den beiden Romanen von Kurland nicht weiter fortgesetzt worden ist. Die englische Gesamtausgabe wird zumindest im englischsprachigen Fandom dafür sorgen, dass die Serie wieder als das betrachtet wird, was sie ist: Ausgesprochen unterhaltend.

Eine Anmerkung sei noch erlaubt: In der im Dezember 1965 produzierten Folge von „The Avengers“ („Schirm, Charme und Melone“) namens „A Touch of Brimstone“ (deutscher Titel: „Die Nacht der Sünder“) spielt ein Lord Darcy mit. Interessant ist, dass dieser Lord Darcy für eine finstere Gruppe namens „Hellfire Club“ arbeitet. Die Sendung wurde nach dem Erscheinen der ersten LORD DARCY-Geschichten geschrieben. Einen Zusammenhang kann ich nicht beweisen. Interessant ist, dass der „Hellfire Club“ später Eingang in die Marvel-Comics fand, wo er als Gegenorganisation zu den guten Mutanten herhalten muss. Noch später stellt er in Michael Kurlands zweitem Moriarty-Roman DEATH BY GASLIGHT (1982) die Bösewichte. Ein Zufall? Ich weiß es nicht. Aber bei der Verknüpfung der LORD DARCY-Serie mit populären Mythen (Fernsehsendungen, Krimihelden etc.) wäre es eine nette Schlussbemerkung, wenn Darcy auch den Weg in das Fernsehen und über dieses in die Comics gefunden hätte ...

Lord Darcy – Randall Garrett In inhaltlicher Reihenfolge: 1. THE SPELL OF WAR (1979 in R. Bretnor [Hrsg.] FUTURE AT WAR, Vol. 1; 1982 erschien sie in THE BEST OF RANDALL GARRETT) 2. THE EYES HAVE IT (1964 in „Analog“) (deutsch als IM AUGE DES BETRACHTERS; auch als DER AUGENTEST in Santesson [Hrsg.] DIE MÄCHTIGEN DES UNIVERSUMS erschienen, Übersetzung durch Birgit Ress-Bohusch) 3. A CASE OF IDENTITY (1964 in „Analog“) (deutsch als EINE FRAGE DER IDENTITÄT) 4. THE MUDDLE OF THE WOAD (1965 in Analog) (deutsch als DER GEFÄRBTE LORD) 5. TOO MANY MAGICIANS (1966 in Magazinform in „Analog“, als Buch 1967) (deutsch als KOMPLOTT DER ZAUBERER) 6. A STRETCH OF THE IMAGINATION (1973 in Dean Dickensheet [Hrsg.] MEN & MALICE) (deutsch als EINE FRAGE DER VORSTELLUNGSKRAFT) 7. A MATTER OF GRAVITY (1974 in „Analog”) (deutsch als EINE SACHE DER SCHWERKRAFT) 8. THE BITTER END (1978 in „Isaac Asimovs Science Fiction Magazin”) (deutsch als BITTERES ENDE) 9. THE IPSWICH PHIAL (1976 in „Analog“) (deutsch als DIE IPSWICH-PHIOLE; unter diesem Titel erschien die Geschichte auch in Asimov, Greenberg und Waugh [Hrsg.] UTOPIA DER DETEKTIVE und in Asimov, Greenberg, Waugh [Hrsg.] MÄRCHENWELT DER FANTASY) 10. THE SIXTEEN KEYS (1976 in „Fantastic”) (deutsch als DIE SECHZEHN SCHLÜSSEL) 11. THE NAPOLI EXPRESS (1979 in „Isaac Asimovs Science Fiction Magazin”) (deutsch als DER NAPOLI-EXPRESS)

Deutschsprachige Sammlungen: MORD UND MAGIE, 1982 (MURDER AND MAGIC, 1979). Dieser Band enthält die Geschichten 2, 3, 4 und 6. DES KÖNIGS DETEKTIV, 1986 (LORD DARCY INVESTIGATES, 1981). Dieser Band enthält die Geschichten 7, 9, 10 und 11. KOMPLOTT DER ZAUBERER, 1981 (TOO MANY MAGICIANS, 1967) LORD DARCY – DIE VOLLSTÄNDIGEN ERMITTLUNGEN IN SACHEN MORD UND MAGIE (1989) (die drei eben genannten Bände und die Geschichte 8). Die in diesem Band verwendeten Übersetzungen sind alle von Ralph Tegtmeier.

Englische Gesamtausgaben: LORD DARCY (komplette Ausgabe, 2002 von Eric Flint und Guy Gordon [Hrsg.]). Die kompletten Geschichten sind nur in der Baen-Ausgabe enthalten, in der SFBC-Edition fehlen 1 und 8.

Lord Darcy – Michael Kurland In inhaltlicher Reihenfolge: 1. THE UNICORN GIRL (1969) 2. ZEHN KLEINE ZAUBERER, 1990 (TEN LITTLE WIZARDS, 1988)

3. EINE STUDIE IN ZAUBEREI, 1992 (A STUDY IN SORCERY, 1989)
  1. Silverberg „Nachwort von Robert Silverberg“ in Randall Garrett/Robert Silverberg PLANET DER DÄMMERUNG, S. 385
  2. Deutsch als WO STECKT AARON BURR? in einer schönen Übersetzung von Thomas Ziegler.
  3. Weitere Infos über ihn findet man auf seiner unterhaltsamen Website www.michaelkurland.com.
  4. Garrett DER NAPOLI-EXPRESS, S. 629
  5. Garrett IM AUGE DES BETRACHTERS, S. 274. Kurland widerspricht dem mehr oder weniger aus Versehen, wenn er (in EINE STUDIE IN ZAUBEREI, S. 193) einen Schottenkönig du Lac erwähnt. Scheinbar ist das ein Verweis auf den Ritter der Tafelrunde, Lancelot du Lac.
  6. Garrett DIE IPSWICH-PHIOLE, S. 509 f.
  7. laut Garrett KOMPLOTT DER ZAUBERER, S. 157. Zum historischen Hintergrund verweise ich auf die schöne Seite http://xenophongroup.com/montjoie/anjou.htm.
  8. Garrett DER NAPOLI-EXPRESS, S. 627
  9. Kurland EINE STUDIE IN ZAUBEREI, S. 125. Eine genauere Lokalisation ist mir nicht möglich, denkbar wäre es als Name für die Schweiz, die hier scheinbar Teil des anglo-französischen Reiches ist.
  10. Kurland ZEHN KLEINE ZAUBERER, S. 195
  11. Garrett DER NAPOLI-EXPRESS, S. 640
  12. ebenda
  13. Garrett KOMPLOTT DER ZAUBERER, S. 14
  14. Kurland EINE STUDIE IN ZAUBEREI, S. 186
  15. Kurland ZEHN KLEINE ZAUBERER, S. 161 f.
  16. Dass sie Polen untertan sind, erschließt sich erst aus Kurland EINE STUDIE IN ZAUBEREI, S. 153.