Der Nachweis auf extreme Schwarzalbigkeit bei Lukas, dem Lokomotivführer und Kalle Wirsch, König der Wirsche

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Kapitel 1: Vorbemerkung 1
Ich habe diesen Artikel für Ostara 2020 angefangen – lange bevor klar war, dass Thomas Hettche mit „Herzfaden“ für den Deutschen Buchpreis nominiert wird. Hettches Buch über die Geschichte der „Augsburger Puppenkiste“ ist weniger Roman, denn Stimmungsbild. Als zusätzliches Kolorit habe ich ihn an einigen Stellen zitiert; die Lektüre des Werkes empfehle ich wärmstens.

Kapitel 2: Vorbemerkung 2
Man mag mich dafür verlachen, dass ich einen Bezug zwischen Schwarzalben und der „Augsburger Puppenkiste“ herstellen will. Doch geht es hier nicht oder wenigstens nicht nur um das Auftauchen von Zwergen, sondern auch um einen Charakterzug der Nachkriegszeit, den ich etwas salopp als „Schwarzalbigkeit“ bezeichnen möchte.
Für diejenigen, die mit Formulierungen als Wegmarken besser klar kommen, sei gesagt, dass ich mich im Folgenden einem unterirdischen Gedankenstrom widme, der sich meiner Ansicht nach kaum wahrgenommen durch die von mir geschilderte Zeit zieht.

Kapitel 3: Geburtenjahrgänge
In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war abzusehen, dass sich die Auseinandersetzung um die ideologische Zukunft der Bundesrepublik an der Frage der Erziehung der „Babyboomer“ entscheiden würde.
Das Geburtsjahr 1964 stellt in Deutschland den Höhepunkt dieser Entwicklung dar, die bis zum Absinken der Geburtenrate unter die Sterberate im Jahr 1972 anhielt.[1] Die umkämpfte Alterskohorte – so nennt man eine Gruppe von zusammenhängenden Jahrgängen –, deren Prägung heiß umstritten war, umfasste etwa die Jahrgänge 1962 bis 1969.
Diese Jahrgänge galt es propagandistisch für sich zu gewinnen, wenn man die Meinungsführerschaft über die nächsten Jahrzehnte hinweg behaupten wollte. Spannend waren also die prägenden Jahre der Erziehung vom Schuleintritt der Kohorte 1968 bis zum Ende der schulischen Ausbildungsphase der Kohorte 1988.
Auf die Frage, was für diese Jahrgänge an Kindern im Grundschulalter, also für die Jahre 1962 bis 1978, als prägendstes Element in Frage kommt, kommt man im Gespräch mit in der BRD aufgewachsenen Menschen schnell auf die „Augsburger Puppenkiste“, die nicht nur durch die in diesen Jahren ausgestrahlten Sendungen, sondern auch durch Wiederholungen und andere Medienpräsenz stets aktuell war.
Da der Wechsel zum Farbfilm mit den ab 1965 ausgestrahlten Sendungen erneut zu einem Zuwachs an Publikumswirksamkeit führte, beschränke ich mich in meiner Untersuchung auf die Produktionen für die Jahre 1965 bis 1978.
Ein Ablauf der Sendezeiten bzw. Sendesequenzen der Wiederholungen war im Detail nicht auffindbar. Der ARD schreibt online banal zur „Augsburger Puppenkiste“: „Wiederholungen dieser Produktionen laufen im Kinderfernsehen des Ersten und der Dritten Programme sowie im Kinderkanal von ARD und ZDF.“[2] Die Chronik der Fanseite zur „Augsburger Puppenkiste“ weist Lizenzprodukte und Produktionsdaten aus, aber keine Ausstrahlungstermine.[3] Ich bin daher mit der Aussage über die Existenz der (andauernden) Wiederholungen auf mein eigenes Erleben und die Reflexionen meiner „Altersgenossen“ angewiesen.
Interessant ist, dass die „Augsburger Puppenkiste“ ein ausdrücklich westdeutsches, kein deutschsprachiges Phänomen ist. Auch wenn mir darüber keine Untersuchungen bekannt sind: Gespräche mit in der DDR, Österreich oder der Schweiz in denselben Jahren aufgewachsenen Menschen beweisen eine tiefere Unkenntnis über die Wichtigkeit der Figuren der „Augsburger Puppenkiste“ für die weitere Entwicklung der Menschheit.

Kapitel 4: Die ideologische Ausrichtung
Im Rückblick wirkt das sehr eigenartig, aber es lässt sich anhand der Faktenlage nicht leugnen: Die 60er Jahre waren schwierig für das Jugendbuch. Die Situation für Autoren änderte sich erst nach Einführung des „Deutschen Jugendbuchpreises“ 1956, der aber einige Jahre brauchte, um seine Wirkungsmacht zu entfalten.[4]
Im Lauf der Zeit etablierte sich der Preis und für die Autoren wurde er zu einer wichtigen Einnahmequelle. Über Michael Ende heißt es zum Beispiel:
Bis 1961, als Ende den Jugendbuchpreis erhielt, verkaufte sich das Werk mäßig. Ende stand kurz vor dem finanziellen Ruin.[5]
Der Markt war heiß umkämpft. Die geburtenstarken Jahrgänge brauchten Kinder- und Jugendbücher – und man brauchte neue Jugendbücher, da aus verständlichen Gründen die im III. Reich gebräuchlichen Bücher nicht mehr verwendbar waren. Natürlich versuchten auch bekannte Autoren aus dem III. Reich hier wieder unterzukommen – ohne einen ideologischen Bruch in ihrer Tätigkeit zu erkennen.
Nur zwei Beispiele für das Weiterleben dieser Einflüsse mögen genügen, um zu beweisen, dass auch von dieser Seite aus versucht wurde, auf die Kinder- und Jugendliteratur prägend politisch einzuwirken.
Die beiden Jugendbücher „Des Grafen Caprioli wunderbare Abenteuer zur See“ (Stuttgart, 1964) und „Des Grafen Caprioli abenteuerliche Wette mit dem Zaren“ (Stuttgart, 1966) stammten von Dieter Ott. Jener Dieter Ott war aber niemand anderes als Frithjof Fischer, der 1933 unter dem Namen Wulf Sörensen „Die Stimme der Ahnen“ veröffentlicht hatte. Wikipedia schreibt darüber:
Der 1933 unter dem Pseudonym Wulf Sörensen im Nordland-Verlag veröffentlichte Titel Die Stimme der Ahnen war Fischers wichtigstes Werk, was Auflagenhöhe und Rezeption angeht – ein hetzerischer Aufruf gegen die Juden:
"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" Ist das nicht weit, weit mehr, als jene zehn Gebote, die der Jude Moses dem verkommenen farbigen Hebräergesindel in der Wüste geben musste, um dieser Horde die Anfangsgründe des Menschseins verständlich zu machen?[6]
Noch in den 90er Jahren waren Gruppen wie die ANSE, die Armanen und die „Nationalistische Front“ im selben Netzwerk verbunden wie ein „Freundeskreis Wulf Sörensen“.[7]
Ein zweites Beispiel. Wilhelm Petersen, der „Kriegsmaler der SS“, wurde 1946 aus alliierter Haft entlassen.[8] In der Wikipedia heißt es über ihn:
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Petersen aufgrund seiner Vergangenheit große Schwierigkeiten, neue Arbeit zu finden.[9]
Dieser Zustand hielt nicht lange vor, denn zwischen 1953 und 1965 war er für eine „Hörzu“-Serie und damit insgesamt zwölf „Mecki“-Büchern zuständig.[10]
Immerhin widmet man sich in der Gegenwart der Aufarbeitung dieser „Kontinuitäten“, zuletzt das Kreismuseum Wewelsburg mit einer Ausstellung über Wilhelm Petersen.[11]
Die „Augsburger Puppenkiste“ hat es geschafft, ihre Literatur-Umsetzungen von diesem „Bodensatz“ frei zu halten. Einer der Filter war sicher die höhere Aufmerksamkeit, welche – sicherlich auch in der Debatte über das, was man nicht wollte – der Kinder- und Jugendliteratur zukam. Erneut ist hier der „Deutsche Jugendbuchpreis“ (heute „Deutscher Jugendliteraturpreis“ genannt) zu erwähnen, der wirklich einiges ausgefiltert hat, was so nicht Allgemeingut wurde.
Auf der Seite des Preises heißt es zum Verfahren:
Jedes Jahr erscheinen fast 9.000 Titel auf dem deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchmarkt. Hilfe bei der Orientierung bietet der Deutsche Jugendliteraturpreis. Seit 1956 zeichnet der Preis jährlich herausragende Werke der Kinder- und Jugendliteratur aus. Er ist mit insgesamt 72.000 Euro dotiert, wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestiftet und vom Arbeitskreis für Jugendliteratur ausgerichtet.
Der Staatspreis will die Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur fördern, das öffentliche Interesse an ihr wachhalten und zur Diskussion herausfordern. Drei unabhängige Jurys – die Kritikerjury, die Jugendjury und die Sonderpreisjury – sind für die Auswahl verantwortlich.[12]
Aber nicht nur ein Literaturpreis war der Grund dafür, dass das „gute Buch“ auf einmal seinen Einzug in die Familien fand. Sicherlich führte die stärkere Nachfrage dazu, dass der Buchhandel gezielt jene Werke bewarb, die kein schlechtes Licht auf die Branche werfen konnten. Genauso wichtig war aber das Moment der medialen Umsetzung beim Kampf um die ideologische Ausrichtung der Kinder- und Jugendliteratur.

Kapitel 5: Die Augsburger Puppenkiste
Ein wichtiges Instrument bei dieser Auseinandersetzung und Umsetzung wurde die „Augsburger Puppenkiste“. Das III. Reich war zum Verführer der Jugend geworden. Dies sollte sich ändern!
Hettche beschreibt in „Herzfaden“ die Rechtfertigung Oehmichens (als Gründer der „Augsburger Puppenkiste“) folgendermaßen:
Viele würden ihn fragen, (…) weshalb er kein richtiges Theater mehr machen wolle. Aber ihm sei klar geworden, dass Puppentheater noch mehr Theater sei als Menschentheater. Marionetten seien die ehrlicheren Schauspieler. Sie ließen sich nicht verführen, und die Freude an ihnen sei eine wahre, unschuldige Freude.[13]
Das Konzept war erfolgreich, wie die weitere Entwicklung zeigt. Ein paar Worte zur Verbreitung der Sendungen seien aus der Wikipedia zitiert:
Ab 1953 wurde die Puppenkiste auch bundesweit bekannt: Am 21. Januar, nur wenige Wochen nach Premiere der Tagesschau, fand die erste Fernsehsendung mit der Geschichte Peter und der Wolf statt.
Die Sendung wurde im Bunker des NWDR [Nordwestdeutscher Rundfunk, HR] in Hamburg nachgespielt und – wie auch die folgenden, bis 1954 vom Hessischen Rundfunk im Frankfurter Fernsehstudio produzierten Sendungen – aufgrund fehlender Aufzeichnungstechnik live übertragen. Zwischen 1956 und 1959 war der Bayerische Rundfunk eine weitere Station der Puppenkiste, da der HR [Hessische Rundfunk, HR] in diesem Zeitraum sein Kinderprogramm abgesetzt hatte. Nach der Wiedereinführung bot dieser dem Hausautor Manfred Jenning jedoch die Möglichkeit an, seine Idee eines Mehrteilers (Die Geschichte der Muminfamilie) zu realisieren und die Puppenkiste ging wieder zum HR. Waren diese ersten Fernsehproduktionen der Puppenkiste noch abgefilmtes Theater, wurde schon bald mit dem Aufwand eines Spielfilms gedreht. Pro Arbeitstag entstanden nun drei bis vier Sendeminuten. Den Puppenspielern, die wegen der Scheinwerfer bei etwa 60 Grad arbeiteten, stand dabei der Schweiß auf der Stirn. Produziert wurde fortan im zum Studio umgebauten Foyer des Augsburger Theaters. Unter Jennings Leitung entwickelten sich die reinen Theateraufzeichnungen zu echten Fernsehfilmen, die alle Möglichkeiten des Mediums ausschöpften. Die Fernsehstücke wurden früh von den Bühneninszenierungen abgekoppelt. So kam es, dass all die bekannten Fernsehstars nie auf der Bühne in Augsburg zu sehen waren.[14]
Die „Augsburger Puppenkiste“ hatte einen großen Einfluss auf eine ganze Alterskohorte. Besonders in Erinnerung geblieben sind die Farb-Ausstrahlungen, die 1965 mit „Der Löwe ist los!“ begonnen haben. Warum ausgerechnet die farbigen Folgen prägender waren, ist unklar. Aber die letzte schwarz-weiß Produktion („Kater Mikesch“, 1964) blieb im Gedächtnis deutlich weniger haften als die folgenden Serien.[15]
Vielleicht ein Hinweis zur Existenz und der Verwirrbarkeit der kollektiven Erinnerung: Heute kann sich fast niemand mehr an die schwarz-weiß Produktion von „Jim Knopf“ aus den Jahren 1961 bzw. 1962 erinnern, die farbigen Folgen überlagern hier eindeutig die Erinnerung.[16] Ähnlich ist es auch mit dem Bruch zwischen „Kater Mikesch“ und den folgenden Serien.
Der Ablauf der Serien stellt sich für den kritischen Zeitraum wie folgt dar:
1965 "Der Löwe ist los!"
1966 "Kommt ein Löwe geflogen"
1967 "Gut gebrüllt, Löwe"
1968 "Bill Bo und seine Kumpane"
1969 "Urmel aus dem Eis"
1970 "Kleiner König Kalle Wirsch"
1971 "3:0 für die Bärte"
1972 "Die Steinzeitkinder"
1973 "Don Blech und der goldene Junker"
1974 "Urmel spielt im Schluss"
1975 "Drachen hat nicht jeder"
1976 "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer"
1977 "Jim Knopf und die Wilde 13"
1978 "Lord Schmetterhemd"
Man ging bei der Planung der Umsetzung vom Buch als ursprüngliche Quelle aus. Man wird also diese Werke analysieren müssen, um herauszufinden, wie die Zielrichtung der geplanten Indoktrination aussah – denn die Planung begann vom Buch her, das als Vorlage akzeptiert wurde.
Ich werde mich daher hier nur auf die Bücher konzentrieren. Nicht vernachlässigen darf man aber, dass die Umsetzung auf mehreren Ebenen erfolgte. Neben der Verbreitung der entsprechenden Vorlagen über den normalen Buchladen kam die Umsetzung durch die Puppenkiste (neben der Ausstrahlung und diversen Wiederholungen im Fernsehen dann die Veröffentlichungen für das „Heimkino“), die Versionen als Bilderbücher oder Hörspiele und natürlich die sehr einprägsame Musik.
Im Beiheft zur CD mit den schönsten Liedern heißt es richtigerweise:
Wenn man nach den Gründen für den Erfolg der Augsburger Puppenkiste fragt, erhält man, neben dem Charme der Geschichten, der Originalität der Puppen und der Inszenierung, auch immer sofort die Musik zu den Fernsehserien genannt. Ungezählte Zuschauer beginnen sofort „Eine Insel mit zwei Bergen“ (aus Jim Knopf), den Blechbüchsenmarch oder das Urmellied zu singen. Die Musikstücke sind aus den TV-Erfolgen nicht wegzudenken.[17]
Abschließend möchte ich anmerken, dass die Serie „Robbi, Tobbi und das Fliewatüt“ (1972 ausgestrahlt) nicht von der „Augsburger Puppenkiste“ hergestellt wurde, es handelt sich um eine Produktion des WDR.[18] Sie ist daher nicht Teil der Betrachtung.

Kapitel 6: Die verwendeten Romane und Serien
Es handelt sich um folgende Bücher als Vorlagen, alphabetisch nach Autoren sortiert:

Ende, Michael
"Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer"
"Jim Knopf und die Wilde 13"

Forester, Cecil Scott
"Drachen hat nicht jeder" (englischer Originaltitel: "Poo-Poo and the Dragons", 1942)

Göhlen, Josef
"Bill Bo und seine Kumpane"

Gross, Heiner
"3:0 für die Bärte"

Kruse, Max
"Der Löwe ist los"-Reihe ("Der Löwe ist los!", "Kommt ein Löwe geflogen", "Gut gebrüllt, Löwe")
Als Ableger der "Der Löwe ist los"-Reihe: "Don Blech und der goldene Junker"
"Urmel"-Reihe ("Urmel aus dem Eis", "Urmel spielt im Schloss")
"Lord Schmetterhemd" (umfasst "Lord Schmetterhemd 1 – Besuch aus dem Jenseits", "Lord Schmetterhemd 2 – Der Tödliche Colt" und "Lord Schmetterhemd 3 – Der Geist des Großen Büffels")

Michels, Tilde
"Kleiner König Kalle Wirsch"

Für "Die Steinzeitkinder" gibt es keine Literaturvorlage, es handelt sich um eine Comic-Verfilmung.[19]
Um den Vorwurf zu entkräften, ich hätte den Zeitraum so gewählt, dass nur "wichtige Werke" bearbeitet werden, hier der Hinweis auf die 1963 (also zwei Jahre vor meinem Erhebungszeitraum) ausgestrahlte Serie "Der kleine dicke Ritter" von Robert Bolt. Dieser war nicht nur der Autor des genannten Kinderbuches, sondern Bolt erhielt zwei Oscars – einen für das Drehbuch von "Doktor Schiwago", einen für das Drehbuch zu "Ein Mann zu jeder Jahreszeit". Außerdem schrieb er das Drehbuch für "Lawrence von Arabien".[20] Auch das andere Ende des beobachteten Zeitraums ist gut besetzt. Hier folgte die Serie "Die Opodeldoks". Autor war Paul Maar, der unter anderem das Sams erfand.[21] Die Eingrenzung des Zeitraums hat also nicht den Grund, dass die Auswertung so auf publikumswirksame Werke reduziert wird.

Kapitel 7: Zu den Autoren
Interessant ist es, einen kurzen Blick auf die Lebenszeit der Autoren zu werfen. Vorab muss man jedoch erklären, warum es einen Verfasser mit einer Sonderstellung gibt, den ich daher nicht für die Lebenszeit-Auswertung benutze: C. S. Forester.
Die Forester-Verfilmung „Drachen hat nicht jeder“ ist nicht nur der einzige im Original nicht deutschsprachige Beitrag, sondern der Verfasser war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung schon verstorben. Außerdem ist C. S. Forester dem deutschen Leser weniger als Kinderbuchautor bekannt. Er wurde 1899 in Ägypten als Cecil Lewis Throughton Smith geboren und starb 1966 in Kalifornien. Unter dem Pseudonym C. S. Forrester schrieb er die Reihe um Horatio Hornblower, er verfasste außerdem das Drehbuch zu "African Queen".[22]
Im englischen Sprachraum ist es nicht unüblich, dass bekannte Autoren von "Erwachsenenliteratur" auch Kinderbücher schreiben. So ist z.B. der Bond-Autor Ian Fleming auch der Verfasser von "Tschitti-Tschitti-Bäng-Bäng" (im Original 1964 erschienen).[23] Aber Forester passt nicht in die Reihe der anderen Autoren, u.a. weil er – wie gesagt – der einzige nicht deutschsprachige Beitrag war.
Alle fünf deutschsprachigen Autoren sind in den Jahren 1920 bis 1929 geboren, haben also den 2. Weltkrieg noch bewusst miterlebt. Tilde Michels (* 1920) wuchs in Frankfurt/Main auf.[24] Max Kruse (* 1921) war aus Krankheitsgründen vom Kriegsdienst befreit, er verbrachte die Zeit in Jena und Weimar und floh später in den Westen.[25] Heiner Gross (* 1923) lebte in der Schweiz. Michael Ende (* 1929) wurde kurz vor Kriegsende noch einberufen, schloss sich aber einer Widerstandsgruppe an.[26] Josef Göhlen (* 1931) scheint auch in Westdeutschland aufgewachsen zu sein.[27]
Die Lebenszeiten im Überblick:
Tilde Michels: 1920 – 2012
Max Kruse: 1921 – 2015
Heiner Gross: 1923 – 1993
Michael Ende: 1929 – 1995
Josef Göhlen: 1931 –
Alle Fünf wurden von Krieg und Nachkriegszeit geprägt … und sind politisch nicht mit dem Nationalsozialismus verbunden. Dies machte sie zu idealen "Aufklärern" für die Kinder des Babybooms.

Kapitel 8: Zu den Werken
Sortiert sind die Werke nach Erscheinungsjahr, aber dann unter dem Autoren der ersten Verfilmung gelistet.

Max Kruse (1965-1967, 1969, 1973/1974, 1978)
Die erste Umsetzung 1965, nämlich von "Der Löwe ist los", war noch stark an ein sehr junges Publikum gerichtet. Hier spielt auch noch eine gewisse Asatru-Feindlichkeit eine Rolle. Ein Zitat aus der Unterhaltung mit dem Löwen (Frage und Antwort) soll das belegen:
"Wenn du mir erklären könntest, wohin ungefähr du trotten wolltest", sagte Ra, "dann könnte ich den Leuten vorher Bescheid sagen, damit sie dir was zu fressen vor die Tür stellen. Was frisst du am liebsten?"
"Raben", knurrte Löwe.[28]
Später wird aber klar, dass die vermeintlich guten Kräfte im Roman mit dem Bösen paktieren:
So gingen das Kamel und der Sultan durch die dicht gedrängten Straßen der Hauptstadt, vorbei an den Verkaufsbuden des Basars, zum Grand-Hotel-Sultanien. Die Spitzen der Minarette leuchteten in der Sonne.
Der Hoteldirektor verbeugte sich, als der Sultan mit dem Kamel die Tür durchschritt. "Bitte, bitte, nur kein Aufsehen!", sagte der Sultan. "Wo wohnt der Doktor?"
"Sechster Stock, links, 666."[29]
666, die Zahl des Teufels – mehr Hinweise kann man nicht geben.
Der zweite Band ("Kommt ein Löwe geflogen") ist ohne verwertbare Anspielungen. Der dritte verfilmte Band ist eigentlich der vierte in der Reihe.[30] Auch hier, bei "Gut gebrüllt Löwe", ist wenig Asatru-affines zu finden (sieht man einmal von einer Hexe[31] und dem sehr schönen Fluch "Henkersbeil und Galgenstrick"[32] ab).
Dass hingegen „Don Blech und der goldene Junker“ voll in das Muster passt, machen die ersten zwei Absätze des Buches deutlich:
Während einer Mondfinsternis begann das seltsamste Abenteuer General Blechs.
In dieser Nacht wurde die goldene Scheibe schwarz, Gespenster trieben ihr Unwesen, und die Hexe Zukuruku ließ giftige Dämpfe aus ihrer Höhle aufsteigen. In solchen Stunden, wenn der Erdschatten den Mond verschlingt, wird seit Urzeiten das Unglaubliche wahr.[33]
Die von General Blech geschaffene Figur des goldenen Junkers wird nicht ohne Grund unter einem Holunderbusch belebt.[34]
Im Rahmen einer Verfolgungsjagd versucht der General sein Geschöpf zu stellen. Auf dieser Reise kommt er an einen eigenartigen Ort:
Kaum einer kennt diese Insel mit dem unaussprechlichen Namen hoch im Norden. Ganz früher einmal wohnten dort Wikinger, die ja ziemlich viel in der Welt herumgekommen sind. Ihr König Wididnik hatte hier eine Burg gebaut. Nun war sie verfallen. Später waren die Wikinger nämlich abgezogen, nach Amerika oder irgendwo anders hin – und man vergaß die Insel.[35]
Auf dieser Insel wohnen die Didniks.
Sie waren verwandt mit jenen Trollen die in den nordischen Sagen ihr Unwesen trieben.[36]
Als würde das nicht ausreichen, wird später noch Siegfrieds Schwert Balmung genannt.[37] An Anspielungen reich endet dieser Band, einer Fortsetzung harrend – es folgten sogar noch zwei Bände, die aber nicht als Puppenspiel umgesetzt wurden.
Die nächste Serie Kruses, nämlich die um das Urmel, beginnend mit "Urmel aus dem Eis" (Umsetzung 1969), ist auch eher auf ein jüngeres Publikum hin konzipiert.
Zur Handlung: Das Urmel-Ei überlebt die Eiszeit[38], es landet auf der Insel Titiwu, auf die sich Professor Habakuk Tibatong zurückgezogen hat, um hier den Tieren das Sprechen beizubringen.[39]
Die Gründe von Tibatongs Rückzugs sind nicht nur die Tiere. Tibatong hat einen jugendlichen Schützling mit Namen Tim. Als der Stadtrat seiner Heimatstadt beschloss, Tim zu "anständigen Leuten zu geben"[40], flohen beide nach Titiwu. Aus heutiger Sicht würde sich wohl kein Autor trauen, so etwas zu schreiben. Anstatt zu anständigen Leuten zu gehen, flieht man lieber als erwachsener Mann mit einem jungen Mann nach Titiwu … Professor und Tim gelangen unbeschadet nach Titiwu, dort führt der Professor seine Forschungen durch, um Tieren das Sprechen beizubringen. Er bediente sich dazu einer Medizin aus "allerhand Kräutern"[41]. Zitat:
Er forschte nach einer Medizin, die eine ganz bestimmte Wirkung auf ganz bestimmte Zentren des Gehirns ausübte.[42]
Auch das kann man heute kaum noch ohne Vorbehalte lesen.
Durch eine etwas übereilte Meldung von Tibatong an die Honoratioren der Universitätsstadt Winkelberg (in einer gerade zur Demokratie gewechselten Monarchie, samt Ex-König) kommt es zu einer Art Jagdexpedition auf das Urmel, die aber von diesem ohne Schaden überstanden wird.
„Urmel spielt im Schloss“, die nächste Umsetzung durch die Puppenkiste, ist eigentlich der vierte Band in der Reihe. Hier wachsen dem Urmel Schwingen, so dass es sich in eine Art Drachen verwandelt. Wieder geht es um entflohene Kinder, dieses Mal um eine Nichte des Winkelberger Zoodirektors:
"Oh –", rief sie, "habe ich dir nicht geschrieben, dass ich von zu Hause ausgebüxt bin?"[43]
Wie oben: Heute nicht vorbehaltlos lesbar.
Heute noch einfacher zu lesen, da offensichtlich auf ein älteres Lesepublikum zugeschnitten, ist die "Lord Schmetterhemd"-Reihe. Schon im ersten Band "Besuch aus dem Jenseits" tauchen Geister der Vorfahren (also: Ahnen) auf, auf deren Blutsverwandtschaft ausdrücklich hingewiesen wird.[44] Die drei Geister erscheinen als Hund, Kaninchen und Truthahn und bringen das Leben des Helden ganz schön durcheinander.
Als sie gezwungen sind, für den Lord magische Waffen zu fertigen, ist ein Zauber nötig, dessen Vorbereitungen wie folgt beschrieben werden:
"Oh", rief ich, "auf den Galgenberg? Bei Vollmond und Nebel? Mit einem Frackhemd unter dem Arm, mit einem Regenschirm, einem Beil, einer Jagdflinte, einem Kochlöffel, einem Schlachtermesser – und nicht zu vergessen einer Wäscheleine?"[45]
Angeblich beschworen die drei Geister dort selbst Geister ehemaliger Gehenkter, mit deren Hilfe sie die Gegenstände verzauberten.[46] Ergebnis war ein verzaubertes Frackhemd, das namensgebende Schmetterhemd, das unverletzbar macht. Dazu kommentiert einer der Geister:
"So habe ich es mir gewünscht! Was ist Siegfrieds Drachenblut gegen dieses undurchdringliche Hemd."[47]
Addiert man jetzt noch das Auftauchen von Gnomen und Kobolden[48], so sind wir voll im germanischen Mythen-Kontext.
Der zweite und der dritte Band („Der Tödliche Colt“ bzw. „Der Geist des Großen Büffels“) spielen im Wilden Westen und sind frei von verwertbaren Aspekten. Aber immerhin lautet die Schlussfolgerungen des Butlers aus seinen Erfahrungen am Ende der Serie wie folgt:
"Verflixt", sagte Cookie Pott. "Ich werde mich einer religiösen Gemeinschaft anschließen, bei der man die Ahnen verehrt …"[49]
Da können wir helfen.
Nebenbei: Das Stück ist heute noch so gut, dass sich sogar Tommy Krappweis an eine Hörspiel-Umsetzung gewagt hat.[50]

Josef Göhlen (1968)
Ab 1968 geht es mit einem neuen Autor und einer neuen Serie weiter – „Bill Bo“. Es gibt zwei Romane um diesen Räuberhauptmann. Im ersten Band „Bill Bo und seine sechs Kumpane“ (nicht, wie die Verfilmung „Bill Bo und seine Kumpane“) geht es um eine Gruppe von Landsknechten im 30jährigen Krieg. Sprechende Tiere tauchen auf, ebenso klare Anspielungen darauf, dass die Bösewichter eine eigenartige Nähe zur FDJ der DDR haben:
Der Graf trat vor sie hin und gab das Schlusskommando: "Alles besetzt?"
Wie aus einem Munde antwortete die drei:
"Allzeit bereit!"
Dem Grafen verschlug es bei dieser Antwort für einen Augenblick die Sprache, dann meinte er kopfschüttelnd: "Danke – ich wusste nicht, dass wir diesen Schlachtruf haben – aber wie ihr wollt!"[51]
Der Autor spielte eine wichtige Rolle im Kinderfernsehen. Im von mir beobachteten Zeitraum 1965 bis 1978 produzierte er die "Urmel"-Serie und "Der Löwe ist los", außerdem ging die "Pippi Langstrumpf"-Serie auf seine Initiative zurück. Und er ist in diesem Zeitraum "schuld" an den Trickfilmen um "Biene Maja" wie auch an "Wickie und die starken Männer". Außerdem initiierte er später (nämlich für das Jahr 1979) die Weihnachtsserie "Timm Thaler".[52] Damit dürfte er fast zum unbekannten Helden des Fernsehens meiner Generation aufsteigen – wobei hier wie so oft ein erneutes Schauen der Sendungen im Erwachsenenalter mitnichten nostalgische Effekte erbringt, sondern oft nur Ernüchterung. Dies macht sich daran fest, dass Diskussionen über dieses Thema im lauschigen Kreis Gleichaltriger oft mit "Captain Future" oder "Catweazle" enden – beides in meiner Weltsicht Erinnerungen, die man nicht durch das erneute Schauen zerstören sollte.

Tilde Michels (1970)
Der Einstieg in das Buch "Kleiner König Kalle Wirsch" macht klar, dass es hier um Phantastik geht:
"Ich, Zoppo Trump, fordere den Erdmännchenkönig Kalle Wirsch zum Kampf!"[53]
Die Welt der Erdmännchen ist klar strukturiert, nämlich vom
alte[n] Gesetzbuch über den Königskampf[54]
bin hier zu der Erklärung, warum es fünf Erdmännchenvölker gibt:
"Fünf. – Für jeden Erdteil ein Volk", stellte Max fest.
Kalle warf ihn einen raschen Blick zu. "Das ist gar nicht so dumm, was du da gesagt hast. Für einen Menschen ist das sogar ziemlich gescheit. Stimmt genau, für jeden Erdteil ein Volk."[55]
Heute liest sich das das anders als noch vor 50 Jahren. Man darf dankbar sein, dass noch niemand gemerkt hat, dass hier Erdmännchen und nicht Erdmenschen benannt sind und dass hier jedes Volk ein eigenes Wohngebiet hat. Und wo wohnen eigentlich die Wirsche, Wolde, Trumpe, Gilche und Murke[56] – abgesehen davon, dass die Zahl der Kontinente nicht mit der Zahl der Erdteile in Übereinstimmung zu bringen ist.
Das Herrschaftssystem ist einfach – es gibt einen König, das Zentrum der Macht ist die Wiwogitrumu-Festung:
"Das ist die Erdmännchenfestung. Wenn ihr nachdenkt, könnt ihr selbst darauf kommen, woher sie ihren Namen hat. Von den fünf Erdmännchenvölkern nämlich, den Wirschen, Wolden, Gilchen, Trumpen und Murken."[57]
Die Festung ist ein Fünfeck:
An jeder Ecke steht ein Turm als Wahrzeichen für die fünf Erdmännchenvölker.[58]
Das liest sich heute vielleicht anders als in meiner Kindheit. Ein Pentagramm als Feste der Erdmännchen …
Auch an anderen Stellen übernimmt Michels Versatzstücke der Mythologie. Da gibt es unterirdisch den blinden Fährmann auf der See der Finsternis.[59] Dieser war früher ein Meermensch.[60] Dazu gibt es einen Wächter, der einen erst durch ein Tor lässt, wenn man drei Fragen beantwortet hat.[61]
Besonders schön ist die Schöpfungsmythologie der Erdmännchen:
"Seit undenklichen Zeiten lebt ein feuriger Riese im Weltall. Alles an ihm ist Feuer, und wir nennen ihn den Sonnenriesen. Er galt für unbesiegbar, keiner wagte den Kampf mit ihm. Eines Tages jedoch, als er schlief, kam ein Ungeheuer über den Rand des Himmels geflogen. Dieses Ungeheuer riss dem Sonnenriesen das Herz aus der Brust und schleuderte es in ins Weltall. Als der Riese erwachte, fühlte er keinen Schmerz und keine Freude mehr, denn er hatte sein Herz verloren.
Das glühende Herz aber lebte weiter als neuer Stern. Nur hatte es nicht genügend Kraft, den eisigen Stürmen des Weltalls standzuhalten. Es erkaltete allmählich – aber nur an der Oberfläche. Innen lodert es heute noch so feurig wie im Leib des Sonnenriesen. Die erkaltete Oberfläche wurde hart, Berge und Flüsse entstanden, und Lebewesen bevölkerten den neuen Stern.
– Kannst du dir denken, wie dieser Stern heißt?"
"Erde?" fragte Jenny zögernd.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Heiner Gross (1971)
"3:0 für die Bärte" – das ist endlich mal eine pralle Märchenwelt, die ein paar nordische Elemente enthält. Nicht nur verläuft die Zeit anders in der Märchenwelt:
"Der Herr Vizekönig vergisst, dass ein Jahr bei uns für die Menschen nur eine Stunde dauert."[62]
Man findet im Märchenland und seine Hauptstadt Tansibor einen Märchenwald und natürlich das Schlaraffenland mit seiner Hauptstadt Schlaraffia.[63] Wem das nicht ausreicht, der findet Osteria[64], das Reich des Osterhasen.
Dazu gibt es Zwerge, Drachen und Riesen. Die Zwerge sind schon sehr nordisch: „Es war ein Zwerg. Doch sein Bart reichte nur bis zur Brust und war kohlschwarz. Seine Beine staken bis über die Knie in Lederstiefeln und um den Bauch trug er einen breiten Ledergürtel. Darin steckten eine riesige Pistole und ein langes Messer. Ferner trug er ein Lederwams und einen großen Schlapphut.“ Und was haben diese Zwerge für schöne Namen. Pimpernell , sicherlich nach Scarlet Pimpernel, einer Art Zorro von Baronin Orczy, der im revolutionären Frankreich seine Abenteuer erlebt. Weitere Namen sind Vulkan , Pankraz , Dietrich und Tristan … und den bösen Zauberer Sabor . Wem das noch nicht reicht, der sei noch darauf hingewiesen, dass es einen Delling-Bezug gibt: Der böse Zauberer hat einen Roboter dafür, ihm Butterbrötchen zu schmieren – was dank Sabotage schief geht: Statt die Butter auf die Brötchen zu streichen, ergriff sie der Roboter und schmierte Sabor das ganze Stück ins Gesicht. Anschließend leerte er ihm den heißen Kaffee über den Kopf. Und weiter agieren die Roboter: Die Butter strichen sie ihm in den Mund, als er wütend brüllte. Fast wäre der Zauberer bei dieser qualvollen Behandlung erstickt (…). Großartig!

Cecil Scott Forester (1975) Das Buch „Drachen hat nicht jeder“ ist eher Durchschnittskost. Wenn der Held Dudu alias Harald Hieronymus Braun und der Drache Horatio nicht Namen hätten, die immerhin an Harald Blauzahn und Hornblower erinnern, wäre das Buch uninteressant. Immerhin hat die Drachin den schönen Namen Irmintrude , so wie die Gattin des Kaisers Karl der Kahle. Politisch ist das Werk eher naiv. Ein Zitat muss ausreichen: „Das kann Ärger geben“, sagte Dudus Vater [im Kino bei einem Indianerfilm, HR]. „Drachen können Indianer nicht leiden. Sie leben in Fehde miteinander, seit Kolumbus Amerika entdeckt hat.“ Immerhin hat der Polizist den schönen Namen Nepomuk Überzwerch , so dass immerhin ein geringer Bezug zum Thema hergestellt werden kann.

Michael Ende (1976/1977) Kaum ein Kinder- und Jugendbuchautor hat meine Generation so geprägt wie Michael Ende. Und das ist kein Wunder – so ist zum Beispiel die Zahl der heidnischen Bezüge in den beiden „Jim Knopf“-Romanen unfassbar hoch. Das beginnt schon im ersten Band mit der Erwähnung von magischen Ländern (von Lummerland über Kummerland bis China ) über das Auftauchen von Drachen und der Namensgebung einzelner Figuren (so heißt der erste gute [Halb-]Drache, dem Jim und Lukas begegnen, Nepomuk – nach dem gleichnamigen Brückenheiligen). Im zweiten Band gibt es dann Seejungfrauen und Lormoral, den „König dieses Meeres“ , samt Urkönig Gurumusch und seinem Reich unter der Wasseroberfläche. Die Prophezeiung an Jim Knopf hört sich auch eher esoterisch an: Im Auge des Sturms wirst du einen Stern erblicken, rot wie Blut und fünfstrahlig. Ergreife den Stern und mache dich zum Herrn (…). Ein Pentagramm, rot wie Blut? Wenn man das Buch damals als Wicca-Initiationsroman verkauft hätte, wäre es wohl gefloppt. Aber so gelingt die Verbindung von Esoterik oder besser Mystik mit dem Genre des Kinder- und Jugendbuches sehr gut. Denn das Ganze ist geknüpft an die Geschichte der heiligen drei Könige, von denen der „schwarz von Angesicht“ Kaspar hieß. Sein Land war Jamballa – wahrscheinlich absichtlich eine Anspielung auf den Voodoo-Loa Damballa. Jim Knopf ist dann in der Handlung folgerichtig der dreiunddreißigste Nachfolger eines der heiligen drei Könige. Sein richtiger Name ist Prinz Myrrhen – wahrscheinlich nach der Myrrhe, einem der drei Geschenke der heiligen drei Könige. Und es gibt eine klare politische Komponente. Ich zitiere Hettche aus „Herzfaden“: Der kleine Nepomuk ist tatsächlich ein Mischling, seine Mutter war ein Nilpferd, weshalb man ihn aus der Drachenstadt ausgeschlossen hat. Er empfindet das aber nicht als Unrecht, sondern schämt sich im Gegenteil dafür und betont ständig, sein Vater sei ein richtiger Drache gewesen. Und es kommt noch besser: Über dem versteckten Eingang zur Drachenstadt (…) hängt ein Warnschild: Der Eintritt ist nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe verboten. Hettche weist auch darauf hin, dass Jim und Lukas Frau Malzahn nicht töten: Ja, seltsam, nicht? Kein Drachentöter, kein Siegfried! Auch Julia Voss deutet in „Darwins Jim Knopf“ den Eingang zur Drachenstadt als Allegorie: Doch trotz dieser unheimlichen Schlüsselszene blieb unbemerkt, dass ein Kinderbuchautor das Vokabular und die Verbrechensorte der Nationalsozialisten zitierte und zwei Abenteurer losschickte, um die deutsche Vergangenheit zu überwinden. Das ist eine von den Sachen, die Michael Ende so interessant machen: Man kann das heute als Erwachsener auf genau jener zweiten Ebene verstehen, in der es um die Rassenpolitik des NS-Regimes geht. Wenn man sich anschaut, wie Ende die entsprechenden Bezüge in seinen beiden Jim Knopf-Romanen versteckt, dann kann man nur Absicht vermuten. Eine weitere Ebene erschließt sich, wenn man der Argumentation von Julia Voss in „Darwins Jim Knopf“ folgt. Sie deutet die beiden Bände als eine Verarbeitung von Darwins Theorien im Jugendbuch. So ist Jim Knopf, das geraubte Kind, eine Anspielung auf Jemmy Button, einen Feuerländer, den Darwin mit der „Beagle“ zurück nach England genommen hat. Die Wikipedia schreibt dazu: Jemmy Button (eigtl. o'run-del'lico […]) (* um 1815; † 1864 in Wulaia, Feuerland) war ein Ureinwohner Feuerlands, der neben York Minster […], Fueguia Basket […] und Boat Memory […] im Zuge der Expedition von Phillip Parker King und Robert FitzRoy (1826–1830) nach England verschleppt wurde. Mit der zweiten Expedition von Robert FitzRoy (1831–1836), an der auch Charles Darwin teilnahm, kehrten sie […] zu den Yámana zurück. […] Julia Voss sieht in Jemmy Button – nicht nur aufgrund der Namensähnlichkeit – das Vorbild für Michael Endes Kinderbuchfigur Jim Knopf. Hier kann ich Voss nur inhaltlich folgen, da ihre Argumentation in diesem Punkt schlüssig ist. Beim nächsten Punkt kann man diskutieren, ob man inhaltlich mitgeht. Denn Voss formuliert, wer ihrer Meinung nach der Ideengeber für Endes phantastischen Kosmos war: Aus seiner Bewunderung für Steiner hat Ende nie einen Hehl gemacht, seinen Lesern, die sich nach der Veröffentlichung von Momo und Die Unendliche Geschichte zunehmend mit grundsätzlichen Fragen an ihn wandten, empfahl er durchgängig, den Begründer der Anthroposophie zu lesen. Und schon sind wir wieder in der esoterischen Schwurbelei, die man doch eigentlich vermeiden will. Endes Werk ist als Unterhaltungsliteratur großartig, als tiefgründige Erzählung immer noch lesenswert – aber zum Glück ungeeignet als großer Asatru-Erziehungsroman. Wobei es schon schön wäre, wenn jemand mal versuchen würde, eine Geistreise zu seiner Kraft-Lokomotive zu machen. Eigentlich kann man dankbar sein, dass das organisierte Asatru diese Bücher nicht als tiefschürfende Erbauungsliteratur erkannt hat.

Kapitel 9: Mediales Fortleben Die Figuren blieben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch außerhalb der Verfilmungen selbst präsent – wobei man im Gedächtnis behalten sollte, dass ich nicht herausfinden konnte, wie oft die Sendungen im beobachteten Zeitraum selbst wiederholt worden sind. Nur für den Zeitraum 1965 bis 1978 sind folgende weiteren Auftritte belegt: 1968 „Der Löwe ist los“ „Wir warten auf‘s Christkind“ „Bill Bo und seine Kumpane“ dito 1969 „Der Löwe ist los“ „Zum blauen Bock“ „Urmel aus dem Eis“ dito 1970 „Kleiner König Kalle Wirsch“ „Wir warten auf’s Christkind“ 1974 „Urmel aus dem Eis“ „Ich wünsch‘ mir was“ „Urmel spielt im Schloss“ „Die Drehscheibe“ 1972 „Der Löwe ist los“ „Kaba“-Werbung 1975 „Urmel aus dem Eis“ „Da schau her, die Lisa“ „Urmel spielt im Schloss“ dito 1977 „Urmel aus dem Eis“ „Ach, du dickes Ei“ „Urmel spielt im Schloss“ dito „Jim Knopf und Lukas …“ dito Wir halten fest: Umfassende mediale Versorgung auf allen Kanälen.

Kapitel 10: Zusammenfassung Ich müsste lügen, wenn ich am Ende behaupten kann, dass eine „Schwarzalbigkeit“ bei der „Augsburger Puppenkisten“ eindeutig nachzuweisen ist. Überraschend ist aber, wie hoch die Anzahl an mystischen, gar heidnischen Bezügen in den ausgestrahlten Sendungen ist. Es gibt ihn also, jenen „unterirdischen Gedankenstrom“, der sich durch das Werk zieht. Es ist nicht nur der Geist der Phantasie, sondern auch der Geist einer durch das III. Reich geprägten Schriftsteller-Generation, die mit fast anarchischen Schöpfungen uns etwas wiederzubringen versuchte, was wir zu verlernen drohten: Das Lachen, den Spaß, das Interesse an gut erzählten Geschichten und gut verpackten Mythen. Zum Schluss noch einmal das Zitat von Oehmichen, das meiner Ansicht nach besser als anderes zusammenfasst, was ich darstellen wollte: Viele würden ihn fragen, (…) weshalb er kein richtiges Theater mehr machen wolle. Aber ihm sei klar geworden, dass Puppentheater noch mehr Theater sei als Menschentheater. Marionetten seien die ehrlicheren Schauspieler. Sie ließen sich nicht verführen, und die Freude an ihnen sei eine wahre, unschuldige Freude. Und so verstehe ich die „Augsburger Puppenkiste“ auch noch heute: Als einen Aufruf gegen die Verführer der Kinder und Jugendlichen und einen Aufruf zur Freude.

Verwendete Literatur Ende, Michael „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, Stuttgart Wien, 1995 (Org. 1960) „Jim Knopf und die Wilde 13“, Stuttgart Wien, 1995 (Org. 1962) Göhlen, Josef „Bill Bo und seine sechs Kumpane“, Düsseldorf, 1968 „Bill Bo und die geheimnisvollen Reiter“, Düsseldorf, 1969 Gross, Heiner „3:0 für die Bärte“, Köln, 1972 Hettche, Thomas „Herzfaden“, Köln, 2020 John-Stucke, Kirsten (Hrsg.) „Germanenmythos und Kriegspropaganda – Der Illustrator Wilhelm Petersen 1900-1987“, Paderborn, 2021 Kruse, Max „Besuch aus dem Jenseits“, Ulm, 1979 (Org. 1974) „Der Geist des Großen Büffels“, Ulm, 1979 (Org. 1976) „Der Löwe ist los“, Stuttgart Wien Bern, 2000 (Org. 1952) „Der tödliche Colt“, Ulm, 1979 (Org. 1975) „Don Blech und der goldene Junker“, Stuttgart Wien, 1995 (ohne Originaljahr [1971]) „Gut gebrüllt Löwe“, Stuttgart Wien Bern 2000 (ohne Originaljahr [1967]) „Kommt ein Löwe geflogen“, Stuttgart Wien Bern, 2000 (ohne Originaljahr [1966]) „Urmel aus dem Eis“, Reutlingen, 1969 „Urmel spielt im Schloss“, Reutlingen, 1972 Michels, Tilde „Kleiner König Kalle Wirsch“, Düsseldorf, 1969 Siepe, Daniela „Das Sonnenrad im »Obergruppenführersaal« der Wewelsburg als »Schwarze Sonne«“ in John-Stucke, Kirsten und Siepe, Daniela (Hrsg.) „Mythos Wewelsburg“, Paderborn, 2015 Voss, Julia

„Darwins Jim Knopf“, Frankfurt am Main, 2009
  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Baby-Boomer; 12.03.2020
  2. www.ard.de/home/die-ard/fakten/Augsburger_Puppenkiste/466274/index.html; 23.03.2020
  3. Vgl. www.stars-an-faeden.de/apkchronik/proddet.php?prod_id=369; 24.03.2020 und www.stars-an-faeden.de/apkchronik/termine.php; 24.03.2020
  4. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Jugendliteraturpreis; 21.12.2020
  5. Voss, S. 63
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Frithjof_Fischer; 07.02.2022
  7. Vgl. Siepe „Das Sonnenrad im »Obergruppenführersaal« der Wewelsburg als »Schwarze Sonne«“, S. 155 f. und Fußnote 56 auf S. 162.
  8. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Petersen_(Maler); 25.01.2022
  9. https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Petersen_(Maler); 25.01.2022
  10. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Petersen_(Maler); 25.01.2022
  11. Vgl. John-Stucke (Hrsg.) „Germanenmythos und Kriegspropaganda“
  12. www.jugendliteratur.org/ueber-den-preis/c-102; 09.05.2021
  13. Hettche, S. 158
  14. https://de.wikipedia.org/wiki/Augsburger_Puppenkiste; 22.03.2020
  15. Zur Abfolge siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Produktionen_der_Augsburger_Puppenkiste#1960er_Jahre; 22.03.2020
  16. Zum Ablauf der Serien: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Produktionen_der_Augsburger_Puppenkiste; 23.03.2020; zu „Jim Knopf“ vgl. Voss, S. 169 f.
  17. Beiheft zur CD „Augsburger Puppenkiste – Die schönsten Originallieder“, unpaginiert, o.J., o.O.; es gibt sogar noch eine Art „Techno-Umsetzung“ der Puppenkiste-Lieder von Dolls United namens „Gut gebrüllt!“.
  18. https://de.wikipedia.org/wiki/Robbi,_Tobbi_und_das_Fliewat%C3%BC%C3%BCt#Fernsehfilm (19.12.2021)
  19. https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Steinzeitkinder_(Puppenspiel); 23.03.2020
  20. https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Bolt; 23.03.2020
  21. https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Maar; 23.03.2020
  22. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Cecil_Scott_Forester; 24.01.2021
  23. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Ian_Fleming; 28.09.2021<Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Ian_Fleming; 28.09.2021
  24. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Tilde_Michels; 14.02.2022
  25. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Kruse_(Autor); 14.01.2022
  26. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Ende; 14.01.2022
  27. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_G%C3%B6hlen; 14.01.2022
  28. Kruse „Der Löwe ist los“, S. 16
  29. Ebenda, S. 120
  30. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Kruse_(Autor); 30.09.2021a
  31. Siehe Kruse „Gut gebrüllt Löwe“, S. 113 ff.
  32. Ebenda, S. 21
  33. Kruse "Don Blech und der goldene Junker", S. 5
  34. Vgl. ebenda, S. 12
  35. Ebenda, S. 44
  36. Ebenda, S. 45
  37. Ebenda, S. 148
  38. Vgl. Kruse "Urmel aus dem Eis", S. 7
  39. Ebenda, passim
  40. Ebenda, S. 18
  41. Ebenda, S. 16
  42. Ebenda, S. 16 f.
  43. Kruse "Urmel spielt im Schloss", S. 20
  44. Vgl. Kruse "Besuch aus dem Jenseits", S. 42
  45. Ebenda, S. 95
  46. Vgl. ebenda, S. 99
  47. Ebenda, S. 110 f.
  48. Vgl. ebenda, S. 120
  49. Kruse "Der Geist des Großen Büffels", S. 107
  50. www.heldenchaos.de/lord-schmetterhemd-hoerspiel-von-tommy-krappweis/; 19.01.2022
  51. Göhlen „Bill Bo und seine sechs Kumpane“, S. 60
  52. Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_G%C3%B6hlen; 23.03.2020; zu Timm Thaler: https://de.wikipedia.org/wiki/Timm_Thaler_(1979); 23.01.2022
  53. Michels, S. 5
  54. Michels, S. 6
  55. Michels, S. 24
  56. Nach Michels, S. 26
  57. Michels, S. 27
  58. Michels, S. 84
  59. Michels, S. 43
  60. Nach Michels, S. 48
  61. Nach Michels, S. 67 ff.
  62. Gross, S 12
  63. Ebenda, S. 39
  64. Ebenda, S. 111