Wettbetrug

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Schlaraffen hört!

Zur Erklärung sei vorausgeschickt, dass die folgende Fexung meine Fexung zur Gästesippung vor zwei Wochen gewesen wäre. Da das Reych hofft, seine Gäste wiederzusehen und eines Tages in den eigenen Reihen begrüßen zu können, kann ich verstehen, dass meine Fexung nicht zugelassen wurde. Von daher bitte ich darum, sich geistig noch einmal um zwei Wochen zurückzuversetzen und der Fexung zur Gäste-Sippung zu lauschen.

Es ist die Anwesenheit von Gästen in unserem Reich die mich dazu genötigt hat, an dieser Stelle nicht nur lobende Worte über die Schlaraffia zu sagen, sondern auch ein wenig Licht zu werfen auf die schattigen Orte der Schlaraffia. Doch ruhig, werte Sassen, ganz ruhig, in den folgenden Sätzen wird es weder um den schwunghaften Handel mit Ahnen noch den Einklebertauschring gehen, der seit Jahren den Ruf der Tarimunden in unseren Gemarkungen beeinträchtigt. Heute Abend will ich ein paar Worte verlieren über den seit Jahren im Reich grassierenden Wettbetrug, der zwar immer wieder Geld in die Kasse des Reiches spült, aber schon manchen Sassen in die Verarmung getrieben hat.
Bevor jetzt an dieser Stelle Aufruhr im Reich sich breit macht sei daran erinnert, dass man Schlaraffe nur werden kann, wenn man „von unbescholtenem Ruf“ ist und „Verständnis für die Ideale des Schlaraffentums“ hat (Spiegel § 21).
Es hat mich einige Monde gekostet, jene sinistren Strukturen aufzuzeigen, die hier am Werke sind. Mein unermüdliches Studium von Spiegel und Ceremoniale hat nun dazu geführt, dass es mir gelang, die für die fungierenden Oberschlaraffen geltenden Regeln zu identifizieren und zu analysieren.
 Im Spiegel verweisen nur drei Paragraphen auf die fungierenden Oberschlaraffen (§§ 6, 38 und 46), sowie der § 1 ff. der Ceremoniale. Ein paar Worte der Erklärung für unsere Gäste. Aus den drei im Reych gewählten Oberschlaraffen wird einer für die Sippung zum Fungierenden, zur – Zitat – „Verkörperung allen geistigen Fluidums, der höchsten Erleuchtung Uhus“. Die beiden nicht fungierenden Oberschlaraffen erhalten die Anrede „Eure Herrlichkeit“ und sonst nichts, während der Fungierende eben einer ist, der fungiert. Sein Wort ist Gesetz, seine Ausstrahlung erhaben, sein Körperbau eine Pracht für das Auge, sein Intellekt scharf, seine Witze lustig, seine Beiträge unterhaltsam, sein Auftreten sittlich und so weiter und so fort. Er ist sozusagen das Fleisch gewordene schlaraffische Prinzip.
Doch ich schweife ab. Seit Jahren hat es sich eingebürgert, dass an bestimmten Rittertischen vor der Erkürung des Fungierenden aus den drei zur Verfügung stehenden Oberschlaraffen kleine Geldwetten abgeschlossen werden, wer denn heute Abend Fungierender würde. Obwohl sich diese Wettbeträge nur im Bereich von Rosenobeln abwickeln, kann man durch Zusatzwetten und Optionen schnell Tausende wenn nicht gar Abertausende von Rosenobeln verwirken. Das System ist einfach, doch in seinen Wurzeln teuflisch. Man setzt auf einen der drei Fungierenden und kann durch Zusatzwetten – zum Beispiel „Heute Abend wird keiner gepönt“, „Heute Abend wird der Hofnarr gelabt“ oder „Heute Abend wird keiner auf der Fexungsliste vergessen“ – den Einsatz vervielfachen. Diese Kombinationswetten, oftmals an einfache Faktoren gebunden, können Wetteinsatz wie Wettgewinn in astronomische Höhen treiben. Einzelne Ritter sahen sich gezwungen, nicht nur die horrenden Wettverluste zu bezahlen, sondern auch in Vermeidung weiterer Schande das Reich in andere Gemarkungen zu verlassen, wo dieser schlechten Angewohnheit nicht gehuldigt wird.
  Zurück zum Thema. Dies alles wäre noch verständlich, wenn es sich dabei um echte Wetten handeln würde. Doch eine monatelange Observation bestimmter Ritter durch die Junkertafel – deren Namen natürlich uns bekannt sind, die wir jedoch im Moment noch unter Verschluss halten, bis vom Allschlaraffenrat eingesetzte Sondereinheiten mit der Klärung beauftragt werden – gelang es uns, die infame Innenorganisation dieses Betrugsrings aufzudecken. Während nämlich der wettende Ritter noch glaubt, es zumindest in Teilen mit einem Zufallssystem zu tun zu haben, wird im Reych die Grundlage von Spiegel und Ceremoniale regelmäßig auf den Kopf gestellt. Denn im Spiegel heißt es unter § 46 (2) eindeutig, dass die Oberschlaraffen „abwechselnd den Vorsitz in den Sippungen ihres Reyches“ übernehmen, so glaubt doch der unbedarfte Ritter, dass er mindestens eine Chance von 1 aus 2, wenn nicht gar 1 aus 3 habe. Deshalb wettet er seine Ersparnisse auf einen der drei Oberschlaraffen, sitzt fiebernd auf seinem Sesshaften und harrt darauf, dass der Fungierende gekürt werde. Doch während er noch fiebert, wissen die Drahtzieher längst, wer als nächster Fungierender wird und können in diesem Moment schon berechnen, wie viel Mammon ihre erneute Manipulation in ihre Kassen gespült hat.
Ich sage es nur ungern, aber die Oberschlaraffen werden nicht abwechselnd, also wenigstens ansatzweise einem Zufallsprinzip folgend eingesetzt, sondern ein von langer Hand vorbereiteter Betrugsmechanismus präsentiert wie eine gezinkte Karte dem Reych einen vorher bestimmten Oberschlaraffen als Fungierenden.
In dieser Situation sah ich mich gezwungen, nicht länger zu schweigen, weil die traurigen Augen, die heruntergezogenen Mundwinkel und das grollige Grummeln bei den Sassen Überhand zu nehmen drohen, wenn sie sich Mal zu Mal um die Ersparnisse geprellt sehen, die sie in die Wetten investiert haben.
  Schlaraffen hört – es ist doch so offensichtlich. Es ist immer der von vor drei Wochen und es ist immer der, der in der Mitte steht. „Abwechselnd“ war gestern, ist aus und vorbei. Wenn ihr Willens seid, euch gegen diesen Wettbetrug zu stemmen, so seid euch gewiss, dass die Kräfte von Ordnung und Aufrichtigkeit an eurer Seite stehen, wenn ihr wie ein Mann aufsteht und das zurückfordert, was euch eigentlich zusteht – der Zufall in seiner reinen Form, befreit von der profanen Schlacke. Ein Zufall, ein kleiner Wink des Glücks.
Dann, und nur dann wenn der Zufall wieder in seine Rolle eingesetzt ist – ja, dann dürft ihr auch gerne weiter wetten.

Lulu!