Our Gods Wear Spandex
CHRISTOPHER KNOWLES
OUR GODS WEAR SPANDEX
OUR GODS WEAR SPANDEX
Titelabbildung: Joseph Michael Linsner
Innenillustrationen: Joseph Michael Linsner
Red Wheels/Weiser, LLC (San Francisco/USA)
251 Seiten
Ein gutes Buch zu besprechen, ist wesentlich schwieriger, als ein schlechtes Buch zu besprechen. OUR GODS WEAR SPANDEX ist ein gutes Buch. Knowles hat sich eine große Aufgabe gestellt: This book will explain how superheroes have come to fill the role in our modern society that the gods and demigods provided to the ancients. (S. XV) Um dies zu beweisen, muss er eine Menge Vorerklärungen
abgeben.
Seine einführende Tour-de-force durch die Geschichte des Comics ist schön zu lesen und setzt wenig echtes, tiefes Fachwissen voraus. Auch ein Nicht-Fachmann kann sich an der Formulierung erheitern, dass in den 90er Jahren crack-cocaine versions of superheroes publiziert wurden (S. 7). Sich an den Highlights der
Comic-Geschichte entlanghangelnd verzichtet das Buch auf Reproduktionen von Titelbildern zugunsten von Linsners fantastischen und sehr ironischen Illustrationen.
Später im Buch beschreibt Knowles unter dem Titel VISIONÄRE die Lebensläufe einiger der wichtigsten Vertreter der Comic-Zunft (unter anderem Jack Kirby, Alan Moore[1] und Neil Gaiman). Ansonsten werden die Comic-Figuren später im Buch anhand ihrer
Gruppenzugehörigkeit beschrieben.
Zunächst aber äußert Knowles sich zum mystischen Hintergrund. Er schildert die Entwicklung der heidnischen Religionen. Beginnend mit Sumer und Ägypten leitet er weiter über Griechenland und Rom, das Judentum (In many ways, the great prophets of the Old Testament are the small ‘g’ gods of their monotheistic culture. They were supermen who had a sort of bat-phone to the divine. [S. 28 f.]) und die nordischen Sagen. Die Texte sind kurz, aber unterhaltsam und voller tiefsinniger Randbemerkungen.
Nach dem klassischen Hintergrund springt Knowles weiter in das 19. Jahrhundert, dessen Spiritualismus er zum Auslöser der esoterischen Welle der Gegenwart macht[2]. Natürlich beschreibt er auch bekannte religiöse »Sonderbewegungen«[3] wie die Freimaurer und die Mormonen. Dann schlägt er einen großen Bogen von Edward Bulwer-Lytton und Madame Blavatsky der Theosophie zum Golden Dawn, Nietzsche, Aleister Crowley und Harry Houdini.
Er versucht, die Comic-Helden in verschiedenen Kategorien zu erklären. Aufbauend auf dem geschilderten Hintergrund deutet er sie als neue Verkörperungen alter Mythen. Da gibt es die »Magic Men« wie Doctor Occult, die »Messias-Figuren« à la Superman und Shazam/Captain Marvel, die wissenschaftlich orientierten Figuren der 70er Jahre wie Spider-Man, die Golem-Archetypen[4], »Death-
Dealers« (The Punisher und Robocop) sowie die Amazonen (natürlich Wonder Woman).
Comics entwickelten sich analag zum Pulp, dem Urvater der Science Fiction. Knowles Geschichte der Pulps ist auch eine (zum wiederholten Mal – aber kurzweilig – geschilderte) Geschichte des Okkultismus. Von Edgar Allan Poe über Arthur Conan Doyle (die Illustration hierzu ist gigantisch [S. 69]) und Jules Verne bis hin zu
TARZAN und DOC SAVAGE.
Whether we realize it or not, we are programmed by pop culture (S. 215). Pulps und Comics haben eine Wirkung weit über die reinen Verkaufszahlen hinaus. Wer weiß schon, dass Elvis seinen Haarstil nach Captain Marvel Jr. gestaltet hat (S. 18)?
Schon früh zieht Knowles eine Parallele zwischen heidnischen Feierlichkeiten in der Kleidung der Götter zum Verhalten von Fans auf Cons (S. 16) – auf den ersten Blick eine nicht sehr plausible Behauptung, auf den zweiten Blick sehr unterhaltsam und auf den dritten Blick tiefsinnig. Sein Ansatz In fact, many of the leading figures in fandom were also deeply involved in occult activity (S. 97) bleibt zu beweisen, aber an einigen Punkten bringt er (nachvollziehbare)
Beispiele: Later, fans of the sci-fi pulps formed influential groups like the Los Angeles Science Fantasy Society, which helped forge an alliance between pulp fiction and the occult (S. 74). Einzelne Verweise sind eigenartig – so etwa, dass Crowleys Orden OTO 1971 an einen SF-Fan ging (S. 59) oder die spärlichen
Verweise auf den SF-Fan und Okkultisten Parsons (S. 59).
Die Illustrationen von Linsner sind hervorragend, seien dies wiedererkennbare Superhelden mit Dollarzeichen auf den Kostümen (S. 5), der von Tentakeln umwundene H. P. Lovecraft (S. 92) oder Robert E. Howard in Unterhose mit dem Bild seiner Mutter in der Hand (S. 95).
Druck und Lektorat sind gut. Mir fiel nur ein echter Fehler auf: der französische Pulp-Held ist wohl Arsene Lupine, nicht Rene Lupin (S. 80). Der Rest an Kritik sind einfache Tippfehler (Warlord of Wars statt Warlord of Mars, S. 88), die aber kaum stören. Dafür ist die Aufmachung gut, der Text lesbar gesetzt, die Fußnoten sind auf der Seite unten (und nicht störend am Ende) und so weiter.
Fazit: Ein schönes Buch. Ein gutes Buch. Ein unterhaltsames Buch.