Für die Krone
Bernd Perplies
FÜR DIE KRONE
MAGIERDÄMMERUNG 1
Titelbild: Hilden Design
Karten: Jan Reiser
Egmont Lyx, 443 Seiten
Es gibt selten Romane, bei denen ich dem Ende entgegenfiebere. Hier ist es mir so ergangen – um dann enttäuscht zu sein. Natürlich steht hinten auf der Innenlasche, dass das hier der erste Roman einer Trilogie (oder mehr) ist. Aber mit einem solchen Cliffhanger hätte ich nicht gerechnet. Ärgerlich.
Der Roman an sich ist ausgesprochen lesbar. Eine schnelle Geschichte – Atlantis wird gefunden, und zwar von einem irren Gelehrten auf einer »Nautilus«-Kopie. Die Magie erwacht (hier wird man nicht zum letzten Mal an das Rollenspiel »Shadowrun« erinnert) und im London des Jahres 1897 ist die Magiergilde damit beschäftigt, mit
den Folgen dieses Magieanstiegs umzugehen.
Es kommt zu einem Putsch in der Magiergilde (Reformer gegen Konservative, würde ich mal sagen – hier streift man dann ab und an mal die HARRY-POTTER-Romane, auch nicht zum letzten Mal), die Fraktionen versuchen, die eigenartigen Mordfälle zu klären. Dazu kommt ein aus dem Exil heimkehrender schottischer Magier mit seiner Tochter, die ein wenig auf Teenie-Wicca macht, ein in einen Faun verzauberter
Handlanger mit guten Absichten, ein Reporter als Erbe des verstorbenen Lordoberchefmagiers und eine Menge Verwicklungen.
Ärgerlich und dann wieder nett sind die Anspielungen auf Figuren der Romangeschichte. Leider hat man den Eindruck, dass der Autor zwar die Zusammenfassungen der Romane gelesen hat, aber nicht die Romane. Irgendwie stimmen Namen und Profession, aber eben nicht der Hintergrund oder die »Tiefe« jener Figuren. Man findet Oliver Twist und Seeleute aus »Moby Dick«, ein Jupiter Holmes (der natürlich Magier ist) bietet das Vorbild für den literarischen Sherlock Holmes (und ist auf den Autor Doyle gar nicht gut zu sprechen), es gibt ein schönes Londoner »Setting« (das aber mehr Moore und der »League of Extraordinary Gentlemen« schuldet als Doyle; gerade die Szene am Kai ist aus dem Film »geborgt«) und, und, und.
Perplies ist ein guter Erzähler. Das Buch ist fesselnd bis zur letzten Seite (und darüber hinaus, weil ich natürlich die Fortsetzung lesen will). Vielleicht ist die Art des Figurenzitierens die Romanschreibe der Wikipedia-Generation. Aber das Buch ist eben nur neunzig Prozent toll, weil die letzten zehn Prozent fehlen. Erstens fehlt die zweite Reihe der Figuren; es gibt bekannte Figuren zu entdecken, aber das sind eben nur die Figuren, die man auch erwartet. Zweitens ist das Buch saft- und kraftlos, wenn es um Sex und Gewalt geht. Man stirbt brutal, aber der Einfallsreichtum der Täter bleibt auf HARRY-POTTER-Niveau. Und Sexualität, weder unterdrückt noch ausgelebt, findet statt. No nay never.
Noch einmal: Ein verdammt gutes Buch, ein verdammt guter Autor. Man wird ihn weiter verfolgen müssen, um herauszubekommen, ob er auf hundert Prozent kommt. Dann hat er die Chance, die deutsche Fantastikszene zu rocken.