Stummfilm

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Schlaraffen hört!

Die Planung eines Fernsehauftritts löst in vielen Sassen die Ausschüttung von Pheromonen aus, die ansonsten nicht mehr aktiviert werden. Bei mir selbst als Vertreter jener Generation, die Napoleon III. nicht mehr persönlich kennengelernt hat, ist dem nicht so. Von daher möchte ich kurz meinen Vorschlag entwickeln, wie wir als Schlaraffen "an die Sache" herangehen sollten.
Räusper.
In Anbetracht der Erinnerung an Bielefelds großen Sohn – Bielefeld hat nur 2 große Söhne, aber 1 ist verstoßen, von daher dürfte klar sein, wer "der große Sohn" ist, nämlich der Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau – planen wir die Umsetzung eines Schwarzweißfilms über die "Ravensbergia". Arbeitstitel sind zurzeit entweder "Das Testament des Dr. Mirakel", "M – eine Stadt sucht einen Sassen" oder "Der Thron, wie er in die Welt kam". Um Kosten zu sparen, drehen wir schwarzweiß und ohne Ton. Es wäre zwar klüger, statt ohne Ton ohne Thron zu drehen, um die Werbewirksamkeit zu erhöhen, aber durch den Einsatz der Thronsassen als reine Komparsen in einem Stummfilm minimieren wir den Schaden und versuchen hier Zwang und Hoffnung miteinander zu verbinden.

Einstellung 1: Innen, Burg, Nacht
Stark geschminkt kniet Ritter Spät-Dran vor der Rostra, die leer vor ihm aufragt. Er ringt die Hände wie in Verzweiflung, Tränen laufen seine Wangen herunter. Dramatische Orgelmusik, Schicksalsmelodie. Einblendung Texttafel: "Seit Wochen ist die Rostra leer".
Schnitt. Kameraschwenk durch die Burg, Totale. Nur jeder dritte Platz im Raum ist besetzt, verschwommen sind am Rande die Komparsen auf dem Thron zu sehen, die an ihren Fingernägeln nagen oder in der Nase bohren. Einblendung Texttafel: "Das Reych ist verwaist."
Schnitt. Kameraschwenk auf den Burgeingang. Dort steht das hohe C neben dem einen, einsamen Einreiter in den Farben (naja, es ist ein Schwarzweiß-Film), also in den Grautönen der Porta Westfalica. Es handelt sich hierbei um den Ritter Rotz, der mit einem geschminkten triefenden linken Auge, humpelnd, samt einem mit Pappmache vergrößertem linken Ohr, einem Kummerbund und zwei zusätzlichen Kissen als Bauch, dem auf grau geschminkten Haar, den Sorgenfalten und der vornübergebeugten Haltung einen Porta-Sassen darstellt. Einblendung Texttafel: "Seit Wochen ist der einzige Einreyter ausgerechnet ein Sasse der Porta".
Das Objektiv schließt sich. Schwärze. Langsam öffnet sich das Objektiv wieder. Orgelmusik verstummt, es erklingt eine Mundharmonika.

Einstellung 2: Außen, Prag, Tag
Vor der Pforte der hohen Praga stehen die Thronsassen der Ravensbergia. Sie sind als solche nicht zu erkennen, da alle drei gemeinsam mit schmutzigen, staubigen, von Milben zerfressenen und mit Polyester belasteten Hundedecken verhüllt sind. Ob es sich um dieselben drei Komparsen wie vorher handelt, kann bis zur Umsetzung ungeklärt bleiben. Die drei bewegen sich unter der Decke in verschiedene Richtungen, so dass sie nicht vom Fleck kommen. Einblendung Texttafel: "Orientierungslos tapsen die Thronsassen und sehen die hohe Praga nicht."
Schnitt. Helles Licht. Aus dem Gegenlicht heraus tritt Ritter Phil-Phras, der langsam durch die glänzende Korona hinweg in seiner stattlichen Gestalt sichtbar wird. In seinen Händen hält er das Reichsschwert der Ravensbergia. Das Deckenthronsassending geht auf die Knie. Einblendung Texttafel: "Das Schwert der hohen Ravensbergia in den Händen des Ritters ohne Makel wird dem Thron zum Mirakel."
Ritter Phil-Phras tritt mit dem Schwert auf das Portal der Praga zu und rammt das Schwert vor dem Portal fest einige Klafter tief in den Boden.
Helles Licht, Leuchteffekte, weißer Nebel. Und aus dem Nebel heraus schält sich eine Gestalt.
Einblendung Texttafel: "Jeden Mittwoch. Nur in der Ravensbergia."
Musik erlischt, Bild verschwimmt, Leinwand wird dunkel. Cut.

Lulu!