Live Action Role Playing
Myriel Balzer
Live Action Role Playing – Die Entwicklung realer Kompetenzen in virtuellen Welten
Tectum Verlag, 2008
116 Seiten, Paperback
ISBN 978-3-8288-9816-5
Zu viele Wenns und Abers
1. Einleitung
Schon auf den drei Seiten Einführung lernt man, dass man ohne Habermas das Thema
nicht bewältigen kann; die tatsächliche Einführung in das Thema dürfte eine Seite lang sein. Okay, so etwas ist man gewöhnt von solchen Arbeiten.
2. Rollenspiel als handlungsorientierte Methode
Auf zwölf Seiten wird dann "Rollenspiel als handlungsorientierte Methode" dargestellt; Moreno und das "Psychodrama" rezipierend, aber ansonsten ohne Neuigkeiten, die mich als Pädagogen überraschen würden. Gehobener Durchschnitt, sagt der freundliche Rezensent.
3. Live Action Role Playing
Es folgt eine Geschichte des LARP, beginnend mit den CoSims. Leider beginnt spätestens hier die Langeweile des Lesers, da die Autorin klare Aussagen vermeidet: "Häufig werden die sogenannten Konfliktsimulationsspiele (…) als Vorläufer des (…) Rollenspiels betrachtet."[1] Oder wenige Seiten später: "Etwa in den späten achtziger Jahren entwickelte sich, vermutlich aus dem Pen & Paper Rollenspiel, das Live Action Role Playing (…), wahrscheinlich in den USA; evtl. auch in England oder in Spanien."[2] Wertungen wären mir hier lieber gewesen. An diese Stelle hätte eine solide Geschichte des LARP gehört, die aber nicht geliefert wird; nicht einmal ansatzweise. Und ob eine Arbeit aus dem Jahr 1986 ausreicht,
um sowohl die damals vielleicht 5 oder 6 Jahre alte Rollenspielerszene in Deutschland unter dem Aspekt des "steigenden Alters der Spieler" zu beurteilen[3] als auch das Bild von Rollenspielen in der Öffentlichkeit "bis heute"[4], erscheint mir als
kritisch. Innerhalb der letzten 15 Jahren sind genug andere Veröffentlichungen erschienen, mit denen man das hätte stützen können – oder man lässt die These halt fallen. Ob es Max Weber (1864 – 1920) verdient hat, mit einer "Zweitausendeins"-Auflage von 2005 zitiert zu werden, wage ich zu bezweifeln.[5] Das ist dann nicht so schwerwiegend wie die anderen Kritikpunkte.
Aber: Gut ist Balzer bei klaren Beschreibungen von Spielmechanismen (wie "3.2.2.2
Die Spielfigur" und "3.3.1 Die Struktur von LARP". Hier liegen ihre Stärken; doch diese (viel zu kurzen) Abschnitte wirken oft eingebettet in andere Themen, die dann nicht so gut lesbar sind.
4. Die Erfassung des erfolgreichen Umgangs mit sozialen Anforderungssituationen
anhand des Konstrukts der Sozialen Kompetenz
Wenn man einleitend erst Kompetenz etymologisch erklären muss, dann liegt der
Verdacht nahe, dass man hier eine aufgepimpte Semesterarbeit vor sich hat.
5. Die Erfassung der erfolgreichen Bewältigung von sozialen Anforderungen anhand einer Handlungstheorie – das kommunikative Handlungsmodell
Das Kapitelthema lässt es vermuten: Wir finden knapp 20 Seiten Habermas, aber
keine Infos über Rollenspiele.
6. Die erfolgreiche Bewältigung von sozialen Anforderungssituationen im LARP
Hier ist Balzer wieder stark. Sie schreibt in "6.3.2 Aufrechterhaltung der Spielwelt": "Wie dargestellt, reproduziert sich die Lebenswelt über das kommunikative Handeln derjenigen Akteure, welche diese Lebenswelt teilen. Indem sie sich auf die Lebenswelt als Interpretationsressource stützen, bekräftigen sie ihre Gültigkeit."[6] Ähnlich klarsichtig beschreibt sie die Mechanismen in „".3.3 Die Lösung des Plots". Leider sind es – wie schon gesagt – zu wenige dieser Teile.
7. Fazit
Eigentlich steht es schon am Ende des vorherigen Kapitels: "Letztendlich lässt sich nur über umfassende empirische Studien prüfen, inwiefern sich die erfolgreiche Bewältigung sozialer Anforderungssituationen im Rahmen der surplus reality von LARP auf den Erfolg der Bewältigung realer sozialer Anforderungssituationen auswirken kann."[7] Im Fazit heißt es dann: "Letztendlich haben somit die gemachten Ausführungen bezüglich der Entwicklung von Kompetenz im Umgang mit sozialen Anforderungssituationen solange spekulativen Charakter, bis sie einer empirischen Überprüfung zugänglich gemacht werden."[8]
Das sind mir einfach zu viele "wenns und abers" für einen solchen Text. Ich hätte
zumindest eine solide Spiel-Kulturgeschichte anhand der Linie Konfliktsimulationsspiele – Rollenspiele – LARP erwartet, dazu einen historischen Überblick über die letzten 20 Jahre des Rollenspiels. Aber davon finden sich nur Ansätze. Dieses Buch liest sich wie eine sozialpädagogische Diplomarbeit … und ich vermute einfach mal, dass es auch so ist. Als Diplomarbeit mag sie gelungen sein, als umfassendes Werk über "Live Action Role Playing" (kurz: LARP) ist sie