Silvesterball
Werte Gäste usw. usf.!
Schlaraffen hört!
Es ist erstaunlich in welchem Umfang der Historiker in mir gefragt ist, wenn es darum geht, etwas zum Ende des Jahres zu sagen.
Dabei ist das Ganze viel weniger mystisch, als man erwarten könnte. Das Jahr endet. Punkt. Der Termin ist relativ willkürlich, aber immerhin nicht weit entfernt von der Wintersonnenwende, also dem Termin, wo es ab dann wieder heller wird auf der Nordhalbkugel. Also geht das Kalenderjahr von dunkelster Nacht zu dunkelster Nacht.
Aber willkürliche Zuweisungen sind wir ja gewohnt, was die Zeitrechnung betrifft. Schon der Kalender stammt als Begriff von der lateinischen Bezeichnung für „Schuldbuch“ und unsere Monatsnamen tragen größere Reste einer lateinischen Zählung in sich. Die Namen der Wochentage wiederum tragen germanisch-heidnische Bezeichnungen (wenn man einmal vom Samstag absieht, der nach einer bekannten Figur aus dem Kinderfernsehen benannt ist).
In Mythenkreisen gefangen blickt schon der Gott Janus zwischen den Jahren in Vergangenheit und Zukunft und wir torkeln dazu mit unserem Planeten ein weiteres Mal um die Sonne, dabei die Jahre nach dem sicherlich falschen Geburtsjahr Jesus‘ zählend oder immerhin in ungebrochener historischer Zählung ab Uhu, obwohl letzteres Datum heilsgeschichtlich als weniger interessant wahrgenommen wird.
Wenn wir ab Uhui zählen – was ist dann dabei das Jahr 0? Die Gründung der Praga war auch nicht zu Neujahr, also gibt es dann automatisch Falschangaben, weil man eben nicht – wie beim Geburtstag – taggenau rechnet, sondern eher ungefähr oder – wie wir hier im Reyche sagen – ungeführ.
Die Verwirrungsmenge steigert sich, wenn wir die Geisteswissenschaft verlassen und die unsicheren Gestade der Naturwissenschaft aufsuchen.
Es wird manchen überraschen, dass die Jahreszeiten nicht davon abhängen, ob wir mit unserem Planeten gerade weniger oder mehr von der Sonne entfernt sind. Und die Corioliskraft reinigt auch keine Kleidung oder hält Atome zusammen, obwohl so richtig erklären kann sie keiner, außer man hat passenderweise einen Abfluss zur Hand. Aber das alles sind – wie Ebbe und Flut – Nebeneffekte unserer Wohnung, dieses Planeten, der mit uns in einem eher mittelmäßig mit bewohnbaren Planeten bestückten Sonnensystem in einem abgelegenen Seitenast der Milchstraße liegt, die wiederum in einer Galaxien-Vorortsiedlung haust, wo man nicht gerade durch Leuchtkraft, extravagante Form oder beeindruckende schwarze Löcher auffällt. Eine mittelmäßige Startposition für eine Zivilisation, wenn man das so salopp zusammenfassen will.
Oder: Dass es intelligentes Leben da draußen gibt merkt man daran, dass es uns noch nie besucht hat.
Wir sind also alleine im Universum, zumindest immer noch nach aktuellen Wissensstand ohne Kontakt zu denen da draußen – sieht man von Amerikanerinnen ab, die zu beeiden bereit sind, dass Elvis in der Maske eines Außerirdischen sie beinahe geschwängert hätte oder jene Verschwörungstheoretiker ignoriert, die glauben, dass Echsenwesen die Erde regieren, getarnt als Politiker, Königsfamilien und Showstars. Obwohl ich bei der englischen Königsfamilie manchmal den Eindruck habe, dass es sich dabei nicht um normale Menschen handelt, bedeutet das nicht, dass ich glaube, dass es Nichtmenschen sind. Feiner Unterscheid, aber wichtig.
Wenn wir schon alleine sind im großen Nichts und wenn wir nur diesen Planeten haben, den wir gemeinsam auf Gedeih und Verderb bewohnen, und wenn wir schon wegen der Achsneigung der Erde gerade auf unserer Halbkugel Winter haben, dann ist es doch wichtig, etwas zu haben, dass Sinn erzeugt (nicht Sinn macht, das ist ein schlechter Amerikanismus).
Also: etwas zu haben, das Sinn erzeugt und uns Freude bereitet. Und darum bin ich so dankbar dafür, dass ich am heutigen Abend weiß, wo ich hingehen kann, um etwas Licht und Freude und Fingerfood zu erlangen. Dafür meinen Dank an die Inhaber der helfenden Hände und die Veranstaltenden samt der hierin verborgen ausgesprochene Hoffnung, dass diese Veranstaltung im nächsten Jahr nicht nur eine Sippungsnummer hat, sondern auch mehr Gästinnen und Gäste anlockt.