Die geteilte Freundschaft
Das wohl entscheidende "Alleinstellungsmerkmal" unserer Reyche ist wohl jenes, das wir "schlaraffische Freundschaft" nennen. Denn unser Spiel bietet allen Sassen die Hypothek auf Freundschaft. Jeder neu Hinzugekommene wird – so wird es verkündet – als möglicher Freund betrachtet. Soweit die graue Theorie, die aber – wie so vieles in "Schlaraffia" - als formloser Geist gepriesen und immer wieder erwähnt (aber damit nicht wahrer) wird. Dem gegenüber steht oft ein Verhalten, das in der "Schlaraffia" mit einer gewissen Sturheit gelebt wird. Denn die Praxis zeigt schnell, dass es immer noch Ritter gibt, die das Simulieren einer mittelalterlichen romantischen Gemeinschaft mit dem Ausleben von Standesdünkel und Rängen verwechseln: Sie verlangen eine Höflichkeit "den Hang hinauf", die vom "Rangniederen" ausgehen muss und gehen mit neuen Mitgliedern immer ein wenig gönner- und kumpelhaft um – nicht nur im Spiel. Und das Einlösen der Hypothek Freundschaft wird eher an Ritter fremder Reyche vergeben als an Junker und Knappen des eigenen Reiches. Welche Ironie, dass eine so großherzige, fabelhafte, romantische Idee verdorben wird durch das Hier und Jetzt, die berühmte "normative Kraft des Faktischen".
Das Wesen des schlaraffischen Spiels bedeutet für mich Freundschaft, die Wunden heilt, die das spitze Wort geschlagen hat. Sie ist das Hineindenken in einen "romantischen Ritterclub", der der blauen Blume der Romantik nachjagt und sich ergötzt an Spiel und Spaß – und seiner Spannung! Unsere Zukunft ist für mich davon abhängig, ob es gelingt zu erkennen, dass Freundschaft ein unteilbares Gut ist. Sie kann wachsen, sie kann schrumpfen, man kann sie aber nicht zerteilen. Doch wo der Ritter nur des Ritters Freund ist und sein möchte, geschieht dies. Aber nur die gelebte viel gepriesene und besungene "schlaraffische Freundschaft" kann ein Band schließen, das als "Alleinstellungsmerkmal" die Gegenwart überstehen und die Zukunft erreichen kann. Ansonsten nehmen wir unsere bunten Mützchen mit ins Grab. Und wenn die Letzten gehen, wird keiner mehr am Grabe stehen und singen.