Dumas
Schlaraffen hört!
Die Veränderung meines profanen Lebens führt dazu, dass ich nun jeden Tag länger in gepolsterten Sitzen der Bahn verbringe. Ich kann Euch beruhigen: Was nun folgt, ist keine Expertise über die gefühlten Verspätungen und andere Wägnisse des Lebens beim Personentransport der Bahn.
Die erzwungene Sitzpause führt aber dazu, dass ich endlich den aufgestapelten Lesestoff der letzten Jahre angehen kann. Und neben meinen Leseprojekten wie "noch einmal Gustav Meyrink komplett", "alles von Cordwainer Smith" oder "alle Staatsromane des frühen 20. Jahrhunderts über erfundene Königreiche am Balkan" komme ich nun endlich dazu, die Klassiker meiner Jugend erneut zu lesen.
Dabei stellt man dann voller Schrecken fest, dass die gekürzten Ausgaben im Jugendbuchbereich eben gekürzte Ausgaben waren, welche die Regale in den Kinder- und Jugendbibliotheken füllten, ohne mit warnenden roten Aufklebern wie "gekürzt" oder "für die Jugend bearbeitet" versehen worden zu sein. Die Jugendbuchausgaben von "Die Schatzinsel", "Die drei Musketiere", "Eulenspiegel" oder "Tom Sawyer" können mit den ungekürzten Ausgaben nicht mithalten. Und so freue ich mich schon auf nächste Woche und "Die Schatzinsel", hatte aber immerhin schon Gelegenheit, mich in aller Ruhe durch "Die drei Musketiere" zu fräsen.
Dumas – eigentlich Alexandre Dumas der Ältere – ist mir natürlich bekannt. Wer kennt nicht den "Mann mit der eisernen Maske", den "Graf von Monte Christo" oder "Die schwarze Tulpe".
Überrascht war ich aber, wie sehr "Die drei Musketiere" von 1843/1844 Aspekte der "Schlaraffia" vorausnahm, der sie 15 Jahre vorausgegangen sind.
Drei Männer, eigentlich vier, durch Freundschaft verbunden, deren Wahlspruch "Alle für einen, einer für alle" ebenso für die Schlaraffen stehen könnte, wie die im Roman immer wieder ausgelebte Liebe zu Wein, Weib und Gesang. Die Musketiere symbolisieren verschiedene Aspekte, verschiedene Männertypen – sie denken nach, führen philosophische Gespräche, sind aber auch trinkfreudig und dem guten Essen nicht abgeneigt. Sie neigen zu Tollkühnheit, können aber Kunst und Schönheit würdigen.
Es gibt auch – analog zum Konflikt zwischen "Arcadia" und "Schlaraffia" – ein Rangeln um den jungen d’Artagnan zwischen der Garde des Kardinals und der Garde des Königs. Und d’Artagnan wechselt später die Farben, als er von der Garde Essarts endlich zur Garde des Königs wechseln kann, um bei seinen Freunden zu sein. Trotzdem war er schon vorher ein gern gesehener Gast in ihren Reihen, auch wenn er bis dahin andere Farben trug.
Nur ganz habe ich noch nicht herausbekommen, was die Idee der Schlaraffen, nur im Winter zu sippen, mit Lady de Winter zu tun hat. Aber es gibt ja noch zwei Folgebände – und vielleicht sehe ich nach "20 Jahre später" klarer. Dann bin ich auch schon Rentner und habe alle Zeit der Welt, um noch mehr Bücher zu lesen.
Lulu!