Wir schenken uns nichts
Liebe Burgfrauen, verzeihen Sie schon im Vorfeld, wenn im Folgenden von mir ein weiter Fächer von rein Männer-typischen Humorelementen vor Ihnen ausgebreitet wird. Als Schlaraffe lernt man zwar Anstand und Höflichkeit, aber man verlernt auch Humor im mehrgeschlechtlichen Kreis, so dass verständlicherweise die meisten folgenden Kommentare in ihrer Schlichtheit auf eine durchgängig männliche Zielgruppe ausgerichtet sind.
Also: Man kann das Prinzip der gegenseitigen Beschenkung zu Weihnachten nur vollständig verstehen, wenn man historische Parallelen wie das Gleichgewicht des Schreckens bei der atomaren Hochrüstung mitdenkt. Ehepartner sind in diesem Konflikt nur Großmächten vergleichbar, die immer wieder neue Waffensysteme entwickeln und Waffen erwerben müssen, um für einen nicht gewollten, aber immer angedachten und befürchteten Schlagabtausch vorbereitet zu sein.
Der nukleare Erstangriff ist in seiner Planung, nicht in seiner Wirkung mit dem Ablauf einer gängigen Weihnachtsfeier vergleichbar. Nicht umsonst steigt die Zahl der Gewaltverbrechen und Suizide gerade über die Weihnachtsfeiertage signifikant. Erstaunlich ist, dass dieser Trend im Kontext einer erhöhten Säkularisierung der Bevölkerung nicht bricht. Aber vielleicht ist es so, dass die kapitalistische Ausrichtung eines Geschenk-zentrierten Weihnachtsfestes mit Religion nichts mehr zu tun hat. Weiter gedacht hieße das, dass Kirchen analog zu Fußballstadien dann nach Firmen benannt werden. Und der endlich ge-gender-te Weihnachtsmann wird zu einem geschlechtslosen Weihnachtswesen – wenn Frauen schon bei internationalen Gesangswettbewerben Bart tragen dürfen, so wäre ein Weihnachtswesen mit weißem Bart, aber zusätzlichen Brüsten ein klarer gesellschaftspolitischer Ausblick.
Eines steht fest: Der Uhu bleibt männlich. Die Abgeschlossenheit der Schlaraffia als Männer-Refugium bleibt ebenso erhalten, auch wenn Abende wie der heutige als Ausnahme von der Regel jene Regel in Form von "Spiegel & Ceremoniale" nur stärken. Da gerade in der Ravensbergia jenes Regelwerk nur in homöopathischen Dosen gereicht wird, kann eine Impfung durch Sippungen wie die heutige nur sinnvoll sein.
Zurück zum Thema. Das gegenseitige Schenken artet ebenso mehr und mehr aus. Nicht länger durch die momentane Kaufkraft gebremst kann man mit Krediten, Ratenfinanzierungen und Umtausch- sowie Bonusoptionen fast jede Anzahl und Preisklasse von Geschenken finanzieren oder sich zumindest im Glauben befinden, man hätte eine funktionierende Finanzierung fabriziert.
Und dann geht es um die Frage, wie weit man vorgesorgt hat. Wir alle kennen das Verfahren: Der liebende Ehe-Mann legt seiner Frau ein Paket im Wert x vor. Diese öffnet es, verschwindet kurz im Nebenraum und kommt mit einem Geschenk im Wert von x+1 zurück. Der Ehemann öffnet es, erbleicht, verschwindet und kommt wenig später mit etwas zurück, das zur Rettung des Eheglücks mit x+2 signifikant teurer ist als x+1. Sie verschwindet und holt x+3, er holt x+4 und das Gleichgewicht des Schreckens samt Nachrüstung schaukelt sich bis zum unvermeidbaren atomaren Schlagabtausch immer höher und höher.
Liedersingen, Weihnachtsbraten, Affektmord.
Ein wenig kann man beim Geschenkaustausch als intelligenter Mann noch manipulieren, in dem man die im Kopf von Frauen existierende Wahrnehmungsschere zwischen persönlichem Preis und tatsächlichem Preis ausnützt. Teure Schuhe schenkt man nicht als Mann, aber ein entsprechender Gutschein an das Versprechen gekoppelt, beim Einkauf zu assistieren, erhöht den Wert des Gutscheins nicht unbeträchtlich. Auch günstige bei Ebay erworbene Kleinigkeiten können den Effekt herbeiführen, wobei man aber sicher sein sollte, dass es sich beim Verkäufer Häschen61@yahoo.de nicht um die eigene Ehefrau handelt, die ihr Geschenk vom Vorjahr dem Recycling überantwortet, es aber sicher nicht zurückgekauft haben will.
Sassen, die jetzt lachen oder zweifeln möchte ich daran erinnern, dass es bei Ebay einen Markt für schlaraffische Ahnen gibt, der ja von irgendjemand bedient und genutzt wird. Und die Käufer sind sicherlich nicht Burgfrauen, die noch schnell ein Geschenk für ihren Ehemann suchen.
Das Geschenk ist eine Gefahrensquelle ersten Ranges. Da gibt es das falsche Geschenk, das unangebrachte Geschenk und das zu billige Geschenk. Das falsche Geschenk wäre ein Halstuch, das nicht zu jenem Kleid passt, von dem man letzte Woche gesagt hat, dass es der Burgfrau, -wonne oder –herrin so gut steht. Ein unangebrachtes Geschenk sind alle Cremes, die verjüngende oder hautstraffende Wirkung versprechen. Ein dahingehauchtes "Gefalle ich dir nicht mehr" lässt sich ähnlich wie alle sybillinischen Prophezeiungen nicht deuten, sondern nur ausleiden. "Du wirst ein großes Reich vernichten, wenn Du diesen Fluß überquerst" steht als schreckliche Prophezeiung ungefähr in derselben Tradition von Leid und Vernichtung wie der eben genannte Satz mit dem gefallen. Das zu billige Geschenk ist das von den Dreien, das am schwersten zu erklären ist. Als Mann lebt man doch in der Wahrnehmung, dass alle Geschenke, deren Wert weniger als das Außenhandelsdefizit der Elfenbeinküste beträgt, nicht passend und daher eigentlich für den feierlichen Termin ungeeignet sind. An dieser Stelle sollte man als Mann darauf verzichten, den Geist der Weihnacht und immaterielle Werte hochzuhalten, weil das sofort dazu führt, dass man die Unterhaltung verloren hat. Und auch die Schneidezähne, wenn man nicht aufpasst.
Der Gedanke eines Geschenkaustauschs auf Augenhöhe ist zwischen den Geschlechtern hoffnungslos. Tief geprägt durch die Jahrzehntausende, in denen der heimkommende Mann das Geschenk des mitgebrachten Mammuts gegen ein frisch gepflücktes Sellerieblatt eintauschen musste, sind wir als Männer nicht mehr in der Lage, Geschenke adäquat zu übergeben. Unschuldige Opfer von Evolution und Erziehung nutzen wir die Schlaraffia als Rückzugsraum, wo wir unsere atavistischen Triebe ungestört ausleben können.
Hand aufs Herz – welcher Ehemann ist außerhalb der Räumlichkeiten hier glücklich, wenn er eine Tüte Gummibären und ein Stück Blech als Belohnung für ein Gedicht oder einen Vortrag erhält? Hier sind wir in einer schenk-freien Zone, in einem letzten Paradies der Belanglosigkeit, in der Gaben noch Gaben und Geschenke noch Geschenke sind.
Wir schenken uns nichts. Denn hier haben wir alles, was wir für einen frauenlosen Abend brauchen – Bier, warmes Essen, Unterhaltung und Gesellschaft. Eine Modelleisenbahn wäre noch schön. Und ein Satz Spielkarten, damit man mal Skat oder Doppelkopf spielen kann. Aber das lässt sich mit kleinem Etat realisieren. Bis zur endgültigen Klärung des Verbleibs der Einnahmen des heutigen Abends hoffe ich weiter auf eine Modelleisenbahn. H0, wir können auch Prag nachbauen.
Lulu!