Analverkehr für Muttersprachler

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Analverkehr für Muttersprachler – das »Inklings«-Jahrbuch 2013

Dieter Petzold (Hrsg.) INKLINGS – JAHRBUCH FÜR LITERATUR UND ÄSTHETIK, Band 31, 2013
Cover von Maria Fleischhack
Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main, 2014
389 Seiten

Das große Thema des Symposiums 2013 der »Inklings-Gesellschaft« war »C. S. Lewis – 50 Jahre nach seinem Tod«. So ist es kein Wunder, dass sich elf Beiträge diesem Thema widmen. Wenn man aber in den Literaturverzeichnissen nach Hinweisen auf Lewis‘ siebenbändige NARNIA-Saga oder seine dreibändige Science Fiction-Serie sucht, dann wird man enttäuscht. Ein Autor (Kegler) erwähnt beides, Wolfe und Boyd immerhin die Science Fiction; inhaltlich beschäftigt sich nur Fleischhack zentral mit NARNIA.
Wenn man jetzt daran erinnert, dass sich die Inklings primär mit dem Phantastischen beschäftigen wollen, dann ist das schon ein Hinweis auf die Probleme des Jahrbuches.
Der erste Beiträger (Nobert Feinendegen) schreibt über »C. S. Lewis als Anwalt der Vernunft des Glaubens« und vergisst auch nicht, dass man Feinendegens Buch lesen sollte, um die »Rekonstruktion des Denkansatzes von Lewis« zu verstehen (S. 15, Fußnote 7; vgl. Seite 30, Fußnote 26). Judith Wolfe schreibt über »C. S. Lewis on the destiny of man« und vergisst natürlich auch nicht, auf ihre eigenen, wichtigen Werke zum Thema hinzuweisen (S. 44, Fußnote 3).
Mit »Agape und Eros« beschäftigt sich Josef Schreier, gefolgt von Adelheid Keglers Aufsatz über das Verhältnis zwischen C. S. Lewis und George MacDonald. Der mit »Fundamentaltheologische Anmerkungen zur Gott-Rede von C. S. Lewis und G. K. Chesterton« untertitelte Beitrag von Wolfgang Klausnitzer wird von Ian Boyd gefolgt, der über »Chesterton and C. S. Lewis« schreibt. Erstaunlich, welche Parallelen er in seinem gut geschriebenen Essay zieht. Genauso gut lesbar schreibt Suzanne Bray über Dorothy L. Sayers und C. S Lewis als »Champions of the Faith«. Der schön bebilderte Beitrag über »Kartographie im Kampf der Weltanschauungen« von Karl R. Kegler ist amüsant, mehr nicht. Aber das immerhin.
Oberflächlich und viel zu viel von dem ignorierend, was in den letzten Jahren an Fantasy erschienen ist, ist der Artikel über »Traces of C. S. Lewis‘ THE CHRONICLES OF NARNIA in modern fantasy fiction« von Maria Fleischhack – maximal ein guter Marktüberblick, aber mehr nicht. So sind z.B. die BOOKS OF MAGIC von Neil Gaiman kein Buch, sondern eine Comicreihe. Und wenn alle magischen Tore nur ein Nachklang von Lewis‘ THE LION, THE WITCH AND THE WARDROBE sind (vgl. S. 175), dann hat man die gemeinsamen Quellen nicht erkannt, mehr nicht. Und über die Bedeutung der »phone box« bei SUPERMAN oder DR. WHO könnte man alleine Seiten füllen, sind das alles ebenso Rückgriffe auf Lewis, wie hier vermutet? Aber über HARRY POTTER weiß sie auch wenig mehr zu schreiben als »A thorough study of Rowling’s book would certainly unearth a great number of further links and parallels.« (S. 176). Aha. Und abschließend, wie eine Ohrfeige für das Werk von Michael Ende, noch ein Zitat: »Ende never mentioned Lewis as his inspiration; however, the examples from the novel show that the two great sagas [THE NEVERENTHING STORY & THE CHRONICLES OF NARNIA] share several symbols, characters and themes.« (S. 178) Mumpitz. Blödsinn. Quatsch.
Der letzte Beitrag zum Symposium stammt von Till Kinzel: »Vom Nutzen der Literaturwissenschaft und vom Sinn der Lektüre«. Man quält sich so durch.
Es folgen vier gemischte »Varia«. Gequirlte Langeweile ist der erste Teil eines mehrteiligen Artikels »The devil als tragic figure in english literature« von Stefan Lampadius.
Ob man der Idee von Eva Oppermann folgen will, PARADISE LOST als Fantasy zu lesen, mag dahingestellt sein. Unterhaltsam ist ihr Ansatz.
Musik als Thema bearbeitet Martin Bojda. Es ist nicht mein Thema, daher verbiete ich mir ein Urteil.
Der beste Beitrag im ganzen Buch versteckt sich am Ende der »Varia«: Susanne Kroner über »Romance, Incest, Rape and Torture«. Der Untertitel sagt alles: »The Sexual Awakening of the HARRY POTTER Fandom«. Und sie scheut sich nicht, auf die magischen Möglichkeiten bei »gay sex« (sie meint aber Analverkehr; in ihrer Welt scheint das eine reine Männervariante zu sein) hinzuweisen: »gay sex ist not only a lot messier than het sex, it also requires more preparation especially if it involves anal penetration« (S. 271). Endlich mal ein Artikel, der unterhält und inhaltlich gut ist (und das nicht nur wegen der Sexszenen, sondern wegen der tiefen Einblicke in Fan-Fiction [man verzeihe mir das Wortspiel]).
In »The Poet’s Eye« geht es dann immer um Fremd-Bücher, hier um Robert Williams Woods »How to Tell the Bird from the Flowers«. Ich glaube zwar nicht, dass Science Fiction-Kurzgeschichten »literarische Ausreißer« in einem Leben sein müssen (S. 283), aber … ich habe mich trotzdem unterhalten.

Was bleibt. Von den elf Beiträgen zum Symposium sind zehn (glaubt man den Texten unter »Die Beiträger« am Ende) in der Muttersprache des Autoren geschrieben, nur Maria Fleischhack spricht Deutsch, schreibt aber Englisch. Dieses Schicksal teilt sie mit drei der fünf »Varia«-Beiträgern, nämlich Stefan Lampadius, Eva Oppermann und Susanne Kroner. Hier ist überall der Aufstieg auf der akademischen Leiter noch nicht weit genug gelungen, um nicht gezwungen zu sein, die eigenen Fremdsprachenkenntnisse immer mal wieder publizierend zu beweisen (auch wenn das im Einzelfall schlimm ist für den Leser.)
Bei den Besprechungen ist es ähnlich. Klaudia Seibel kann Deutsch (S. 303 ff.), aber es gibt eine Rezension auf Englisch von ihr (S. 292 ff.). Sogar Dieter Petzold kann Deutsch (S. 299 ff.), aber er veröffentlich auch gerne in seinem Jahrbuch auf Englisch (S. 321 ff.). Natürlich macht das eine Zweitverwendung wahrscheinlich (oder es geht auch darum, mal wieder ein Lehrstück aus dem Oberseminar gedruckt zu sehen).

Ein wenig literarische Selbstbefleckung ist das alles. Das kann schön sein, doch man wird davon nicht schwanger. So wie beim Analverkehr.

P.S.: Ich rezensiere die Jahrbücher seit vielen, vielen Jahren. Noch nie gab es irgendeine Wahrnehmung von »denen« über »uns«. Wenn mir das jetzt nicht gelingt, dann weiß ich nicht weiter.