Armageddon Rock
George R. R. Martin
Armageddon Rock
(O: Armageddon Rag)
Fantasy Productions
Ü: P. Roberts
ca. 33,- DM
Mit einem Nachwort des Übersetzers
Was sagt man zu einem genialen Buch? Wenig am Anfang. So dachte ich auch bei diesem. Warm empfehlen hatte es mir Peter Kreft - auf Martin gekommen war ich durch "Die Flamme erlischt", empfohlen von Manfred Roth.
"Die Flamme erlischt" las sich anfangs schwer. Doch das Ende war herrvorragend. So angeturnt - und von Peter bearbeitet - nahm ich mir vor, auch "Armageddon Rock" zu lesen. Und bestellte mir das Buch.
Und war erst einmal begeistert. Ein dickes Buch (460 Seiten), ungefähr Din A 5 mit einem knallig bunten Titelbild mit einer Gitarre, der ihr Herz herausgeschnitten wurde - und Blut auf dem Cover. Auf der Rückseite die andere Hälfte - Nazguls am Himmel und ausdrucklose Soldatengesichter am Horizont.
Geil.
Und dann der Kommentar - "Der beste Roman übe die Popmusik-Kultur der 60er Jahre, den ich je gelesen habe" von Stephen King. In kurzen Worten: King hat recht. Wer jetzt will kann diese Rezensione weg legen und sich das Buch kaufen. Wer mehr wissen will muss schon weiterlesen.
Held (nein Protagonist) ist Sandy Blair (Eric Blair ist der Geburtsname von George Orwell, soviel dazu), Ex-Hippie und abgetakelter Schriftsteller, der sich seinen Lebensunterhalt durch ziemlich üble (eigene Einschätzung) Bücher verdient.
Und träumt.
Eines Tages bekommt er dann ein Angebot seiner alten Rockzeitung (Hedgehog) einem Mordfall an einem Manager nachzuforschen. Und er stößt in ein Wespennest.
Lynch (ein geiler Name für diesen Typen), der Manager, wurde brutal geötet - sein Herz wurde herausgerissen. Und irgendwie entdeckt Sandy, dass es mit der Hauptgruppe Lynchs, den Nazgul, zusammenhängt. Diese hatten sich aufgelöst, nachdem ihr Leadsänger Hobbins bei einem Konzert erschosen worden war (Hobbins ist eine Art Mischung aus Janis Joplin, Morrison und Hendrix - was Martin an einer Stelle im Roman auch ziemlich klar andeutet, neben Robbins stehen nämlich deren drei Schemen in der Luft ...).
Und jemand versucht nun, die Nazgul wieder zusammenzubringen. Und gleichzeitig vollzieht sich in grauenhafter Art und Weise eine dunkle Prophezeiung - der Inhalt der letzten LP der Nazgul "Musik to wake the dead" wird Stück für Stück in die Realität umgestzt.
"Blood on the Sheets" - Lynch stirbt auf einem Nazgul-Plakat, das Herz herausgerissen. "Ash Man (Ashes, Ashes)" - Gopher, der Drummer, sieht seinen Club und viele der Besucher verbrennen. "Ragin'" - Maggio, der Gitarrist, kommt zurück zum R&R, als er - um Lynch zu beweisen, dass er es voll drauf hat - dieses Stück noch einmal spielt. "The survivor", "What rough beast", "Prelude to Madness". Sandy erlebt sie alle nacheinander an verschiedenen Mitgliedern der Nazgul oder Freunden, die ihm in den '68ern nahestanden.
Und dann die zweite Seite der LP - "The Armageddon/Resurrection Rag".
Eine Gruppe von Verrückten (Satanisten? Okkultisten?) will die Nazgul wieder spielen lassen - um die Geschichte noch einmal aufzurollen, um die Hippie-Revolution doch noch zum Sieg zu führen.
Und dafür brauchen sie den toten Leadsänger. Und sie holen ihn sich. Ein Double von Hobbins, ein zum Verwechseln ähnliches Knäblein, geboren im amerikanischen Bethlehem.
Und bei den Auftritten geht mit dem Double immer eine Veränderung vor - er wird Hobbins, dieser scheint seinen (eigenen?) Körper zu übernehmen.
Und Sandy gerät immer mehr und mehr in den Sog von Ereignissen, die er nicht versteht.
Er wird zum "Joker", zu der am wenigsten zu durchschauenden Figur auf der LP. Doch kann er die Entwicklung aufhalten? Will er sie aufhalten? Kann wirklich nur er Armageddon stoppen - und schafft er es?
Ist Armageddon in diesem Falle vielleicht eine positive Katastrophe? Sandy vergeht fast in Selbstzweifeln.
Nebenher macht Sandy bei seinen Erkundigungen noch einen Streifzug durch seine Vergangenheit - und erlebt dabei die Geschichte der Hippies nach '71 aufs neue. Da ist Maggie, die nun - ungeliebt und alleine - dahinvegetiert. Lark, der seinen Namen geändert hat und als Werbemanager arbeitet. Bambi, die in einer Landkommune von Glück und Frieden erzählt. Froggy, dessen alte Witze keiner versteht und dessen kritische Vorlesungen (er ist Professor) abgesetzt weden. Und Slum, der von seinem Vater entmündigt ist und sein Leben unter Medikamenten in der festungsartigen Wohnung seiner Familie verbringt.
Für Slum schreibt Sandy seine Erlebnisse nieder, ihn will er mit dem Gewinn eines Buches aus dem "Gefängnis" herausholen.
"Armageddon Rock" ist eine Querreise durch die Geschichte der Rockmusik. Neben unendlich vielen Songzitaten (alle im Nachspann aufgelistet) und einigen netten Anspielungen (Musiker, Groupies, Hintergrundstories) bietet das Buch mehr eine Vermittlung der Atmosphäre denn eine sachliche Darstellung.
Markante Ereignisse des "Movement" werden in Träumen/Visionen von Sandy wieder präsent, geschehen für ihn ein zweites Mal. Er ist der Joker - und damit auch der Prophet.
Vergleiche mit der "Illuminatus"-Trilogie drängen sich an dieser Stelle massiv auf. Auf der einen Seite ist Edan Morse, der Chef der Satanisten(?)-Bewegung. Ihm gegenüber steht Hagbard Celine, Herr des gelben Untersebootes und Illuminati primi. Ananda steht für Terentalle Serpentine, die Königin der Liebeskunst. Die Musiker sind die Sauer-Geschwister, deren Musik - auf die eine oder andere Art - das Eschaton einleiten soll - ob mit einer SS-Division oder einem Heer der Toten.
Und doch sind beide eigenständige Werke, sie ergänzen sich eher, als das sie sich kopieren. Ihnen ist eher eine gemeinsame Weltschau eigen als gemeinsamer Stil.
Doch der langen Rede kurzer Sinn: Leute, kauft dieses Buch, sonst habt ihr was verpasst!