Bogowie
T. D. Kokoszka
Bogowie
A Study of Eastern Europe’s Ancient Gods
Winchester, UK: Moon Books (John Hunt Publ.) 2023. 431 S.
ISBN 978-1-80341-285-6 (Softcover)
GBP 26,99 USD 34,95
ISBN 978-1-80341-286-3 (E-Book)
GBP 13,99 USD 17,99
Im Juli 2022 schrieb mich der Autor (auf den Eldaring bezugnehmend) an:
I understand that your organization is a heathen organization, primarily concerned with Germanic culture. The book draws some connections that I believe could be illuminating even from a Heathen standpoint. For example, some of you may know that the last sheaf of grain left in the field was sometimes left uncut for "Woden‘s Horse" in Germanic folk tradition. But did you know that this tradition was associated with the Lord of the Dead in Eastern Europe? The book may also interest many individuals in Germany who have roots going back to Slavic countries like Poland or Ukraine. It‘s not my intent to "convert" anyone. But as I said, it could complement or enhance your understanding of some of your ancestors (or the ancestors of others in your community).
Ich erhielt später ein Exemplar des Buches zur Besprechung.
Kokoszka schreibt interessant. Selbst mit einem Hintergrund als Mikrobiologe versehen, rezipiert er moderne Forschungen zur Abstammungsgeschichte der Slawen und geht als Außenseiter an ein Thema heran, das vielleicht genau diesen Blick braucht, um in einer geschlossenen Darstellung zu wirken.
Sein Anmerkungsapparat ist groß, wobei er dankenswerterweise keine Diskussionen in
die Fußnoten verlagert, diese liefern nur Quellennachweise. In 14 Kapiteln versucht er einen Überblick über die slawische Mythologie zu vermitteln – von The Ancient Origins of Europa up to the Early Slavs über Baba Yaga, Perun and the Drakenkampf, Volos, die Zoryas, Svarog, Chernobog bis hin zu slawischen Feiertagen. Gerade bei den Zoryas zeigt sich, dass er auch aktuelle Romane und Fernsehserien (hier: American Gods) rezipiert:
Neil Gaiman has probably done more to popularize the Zoryas in the English speaking world than anyone else. (S. 63)
Am Ende vieler Kapitel zitiert er länger aus Märchen und Sagen, um seine Darstellung zu illustrieren. Das macht sein doch manchmal stark faktenbasiertes Werk gut lesbar, auch wenn man es sicherlich nicht an einem Nachmittag durchbekommt. Mein Exemplar hat Wasserflecken von Schneeflocken, weil ich es auf der Terrasse bei Schneefall nicht aus den Fingern legen wollte. Seinen Ansatz erklärt er selbst so:
One of the most beautiful things about paganism is that it maintains continuity with the past, rather than rewriting it completely. A river might be venerated in the Mesolithic as a disembodied power, and much later as a humanoid idol carved from marble – but in paganism there is generally little reason to abandon earlier objects of worship altogether. Instead, I believe that paganism evolves without losing continuity – and in that sense, it will always be timeless, even if the outward forms morph. (S. 17)
Im letzten Kapitel (Closing Statement) geht er auf seine Herkunft (halb polnisch, halb jüdisch) und auf die Suche nach seinen Wurzeln – gerade in den USA der Gegenwart – ein:
The void of an identity has caused a desperate search for something meaningful. And that does not always have good consequences. It can be quite dangerous, especially when bad actors step in to provide people with a toxic delusion that
will make them feel better. (S. 419)
Ein kluger Ansatz, dem mehr Amerikaner folgen sollten …
Zurück zum Thema. Das Slawentum oder die Situation des Heidentums dort ist ein weißer Fleck auf der heidnischen Landkarte der Asatru-Anhänger. Da lesen sich seine Ausführungen zu Wicca erhellend:
Wicca has not penetrated into Russia very much, partially due to lack of translation, and partially because of its heavily Celtic roots which are not widely understood in Russia. (S. 339 f.)
Immer wieder geht es auch um den Austausch mit Germanen – und man wird natürlich
darauf hingewiesen, dass Orte wie die Insel Rügen eigentlich slawischer Siedlungsraum waren (S. 136). Gerade im Bezug auf den Kult um die Weissagungen mit weißen Pferden (Schimmeln) zeigt er hier Verbindungen auf (S. 140).
Seine Denkansätze sind auch für (west-)europäische Heiden interessant. Da geht es um die Verbindung zwischen fairy (Elfe, Fee) und fata (Schicksal) und Parallelen mit den Nornen (S. 157). In seiner E-Mail erwähnte er schon den Hinweis auf das Stehenlassen von Getreide als Nahrung für Wodens Pferd. Diesen Punkt führt er im Buch aus (S. 129 u. 138).
Ebenso interessant ist der Konflikt zwischen heißen und kalten Kräften, der sich in vielen Schöpfungsmythen der indoeuropäischen Kulturen findet (S. 215). Dem Thema der Bestattung mit abgeschnittenen Nägeln und der Parallelen zu Naglfar widmet er einen eigenen Abschnitt (S. 323). Und zur Darstellung des Kults um Erlik schreibt er:
The link between the Norse Loki and the Altaic Erlik is not quite as far-fetched as it may seem. (S. 386)
Unmöglich kann man im Rahmen einer Buchbesprechung auf alle angerissenen Themen
eingehen. Das Buch ist eine Fundgrube an interessanten Hinweisen, klug geschrieben
und auf mehr neugierig machend. Abschließend schreibt er:
The truth is that most of the world is not descended from people like the Greeks and Romans who take the "leading roles" in official historical records. Most of us are descended from those little-known cultures that are scarcely mentioned during ancient times. And it’s time we came to appreciate the scale of that theft. Not just the Slavs, but much of humanity has lost its archaic or "primitive" roots. And while I’m definitely not calling for a return to the ancient ways of life, I
do think that there is much that modern human beings can learn from those roots as we move forward into the future. (S. 427)
Dem ist nichts hinzufügen.