Der alte Traum vom neuen Reich
Jost Hermand
"Der alte Traum von neuen Reich"
Beltz Athenäum, 1995
387 Seiten
Baff! Bum! Päng! Ein Buch, das den Untertitel "Völkische Utopien und Nationalsozialismus" trägt, muss das bieten – und es tut es. Ich hatte vor vielen Jahren mal das Glück, Hermand bei einem Vortrag zu erleben – provokativ, lebendig, intelligent. So ist dieses Buch auch. Erst wirft Hermand den Historikern vor, dass sie die Utopien des Nationalsozialismus missachtet hätten:
"Schließlich spiegelt sich in den hier vorgestellten national-demokratischen, völkischen, alldeutschen, proto-faschistischen und nationalsozialistischen Utopien die Geschichte dieser Ideen wesentlich plastischer wider als in einer rein ideengeschichtlichen Präsentation der gleichen Leitkonzepte." (S. 14)
Richtig.
Geschichtlich beginnt er mit einem Kapitel "Das Wunschbild eines glücklich
geeinten Vaterlandes", in dem er die utopische Historie Deutschlands passieren
lässt. Dann folgt "Unter Bismarck und Wilhelm II.", in dem u.a. die mystische
Esoterik mit netten Seitenhieben bedenkt. Das Kapitel "Nach der »Schmach von
Versailles«" behandelt dann den Umschwung der Utopien von den "Durchhalteparolen"
der Jahre 1916-1918 zu neuen Rechten und NSDAP. Das folgende Kapitel "Während der »relativen Stabilisierung« der Weimarer Republik" erinnert nicht nur an Joseph Goebbels Roman (gedruckt 1928), sondern erwähnt germanisch-nordische Utopien und endet mit Hitlers "Mein Kampf".
"Ideologische Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 1929" beschreiben die
folgenden Seiten und zeigt, dass es Utopien gab, welche "noch überspannter, hysterischer, barbarischer" waren als der Nationalsozialismus. (S. 158) Es ist
kaum zu glauben, aber der Nationalsozialismus war übel, aber man kann ihn in Romanen (rechts) überholen.
"Endlich am Ruder" heißt zu Recht das Kapitel über den "Triumph der nationalen Idee" (S. 199). Der Germanenkult kommt zum Zuge, Irre wie Herman Wirth werden gestreift und Atlantis bearbeitet. Wenn mein Wort auch so schön Stilett sein könnte wie seins! Ein eigenes Unterkapitel behandelt "Imperiale Ordens- und Gralsvorstellungen" und die Seiten überschrieben mit "Sciencefiction-Romane [sic!] im Dienst der deutschen »Weltmission«" sollte man auf Cons auf Ziegenhaut geschrieben an die Wände hängen.
Der deutsche Ingenieur darf nach dem Kriege ja noch weitersiegen und erfinden, wie wir aus den 50er-Jahren wissen. Anderes Thema.
In "Der Griff zur Weltmacht" erobern endlich Wotan und die Deutschen den Osten Europas und ganz Deutschland wird mit Hitlers megalomanen Städten überzogen.
Immer noch ein Hammer, immer noch ein Standardwerk.
Erwähnt sei noch, dass das Buch hervorragend und passend illustriert ist –
Filmausschnitte, Fotos, Bildreproduktionen, alle in hoher Qualität und sachlich perfekt eingebunden.
Kaufen!