Rituelle Aufknochung

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Schlaraffen hört!

Die Fexungen als das Rückgrat der Sippung zu bezeichnen fällt – ihre Bedeutung im Blick behaltend – leicht, tragen sie doch das Gewicht eines solchen Abends. Die Schultern wiederum sind der Thron, auf dem die Last liegt, jene zu tragen, die des Tragens bedürfen.
Um in jenem Bild zu bleiben, welches die schlaraffischen Elemente als Skelett eines Körpers beschreibt, könnte man sagen, dass viele Sassen die Rippen sind, an denen nicht nur das Fleisch befestigt ist, sondern die auch den inneren Organen Sicherheit bieten. Bei der Junkertafel handelt es sich um sogenannte akzessorische Knochen, welche zusätzlich zu den im menschlichen Skelett auftretenden maximal 214 Knochen als weitere Knochen angelegt sind, die aber funktionsfrei bleiben. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Zwickelbein – das sind Knochennähte, die der Fötus noch besitzt, die aber beim Erwachsenen normalerweise verschwinden. Sie sind klinisch ohne Bedeutung, weder eine Behinderung noch eine Fehlbildung. Damit meinte ich gerade das Zwickelbein, nicht die Junkertafel.
Aber im Gegensatz zum menschlichen Körper können sich Ansassen der Junkertafel in diesem Bild weiterentwickeln, um Rippe oder sogar Schultern zu werden. Wir dürfen sie also nicht als Fehlbildung betrachten, sondern als entwicklungsfähige Kalkstücke, bei denen wir zuschauen können, wie sie sich ihren Platz in der Anatomie verdienen.
Es handelt sich also um eine Art ritueller Aufknochung, wenn ein Ansasse der Junkertafel durch schlaraffische Mutation zum Teil des sinnvollen Skeletts wird. So wie aus der Rippe in der Mythologie ein Mensch entstand, kann aus einem Zwickelbein noch einmal ein Ritter werden. Damit unterscheidet sich unser Wunderland des Geistes von der harten Struktur des Skelettes, denn bei uns sind Mutationen nicht nur möglich, sondern sogar gewollt.
Sich unter dem Gesichtspunkt der Mutation ein Reych anzuschauen, wirft auch ein ganz neues Licht auf die Frage, ob es sich hierbei immer noch um Menschen handelt. Die Fragestellung wäre einfach zu beantworten, sie bleibt aber unwichtig, weil sie am Geist des schlaraffischen Spieles vorbeigeht.
Es ist der Röntgenblick der erhabenen Herrlichkeit, das Aufscheinen der Erleuchtung, die Röntgenstrahlen gleich die Körper der Ansassen durchdringt, um tief in ihrem Inneren nach jenen Schätzen zu forschen, die es zu heben gilt, wenn der goldene Ball fliegen soll. Das Erkennen von Fähigkeiten, das Hervorlocken von bisher verborgenen Talenten ist wie das Schürfen nach Edelmetallen in einem Sandkasten. Man weiß, dass die Arbeit schwierig, fast schon sinnlos ist, dabei ist man mit einer Plastikschaufel ausgestattet und versucht, Werte zu finden, auf die man nur hofft, von denen man aber fast sicher weiß, dass man sie maximal nach der Veränderung der naturwissenschaftlichen Grundkonstanten finden und heben kann.
Aber nur hier ist dies möglich. Man darf nicht auf das Vertrauen, was einem Wissenschaft und Erziehung an Hilfsmitteln mitgegeben haben. Die Verzweiflung, die einen immer wieder zu übermannen droht, wenn man gezwungen ist, mit zwei Löffeln zu angeln oder mit strukturiertem Wortwitz aus den Reihen der Ansassen auch nur ein leises Lachen hervorzuholen, diese Verzweiflung muss man bekämpfen, weil man an das große Ganze glaubt.
Der goldene Ball kann nicht bezwungen oder beschworen werden, er muss wie eine Flamme genährt und behütet werden, obwohl nicht klar sein kann, ob es sich nur um ein normales Feuer handelt oder um jenes seltene, fast schon alchemistische Feuer, in dem die Transmutation der Elemente dazu führt, dass aus Blei Gold, aus Knappen Rittern oder aus Telekom-Aktien ein Gewinn entsteht.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und nur diese Hoffnung ist es, die dafür sorgt, dass die breiten Schultern des Throns nicht immer wieder einsacken oder gar unter der Last zerbrechen, welche die Führung eines Reyches fast schon zwanghaft mit sich bringt.
Und nur so ist es auch zu erklären, dass Thronsassen nicht gewählt werden, weil sie klug oder schön sind. Es ist dem Zufall oder der gütigen Fügung des Schicksals zu verdanken, dass auf dem aktuellen Thron dieses Reyches Zweidrittel der Thronsassen schön und klug sind. Das ist gut so, aber es ist nicht schlaraffisches Gesetz. Gewählt wird man, weil man über eine Robustheit verfügt, die es einem erlaubt, dem Sippungsgeschehen zu trotzen und mit starker Hand aus dem Stein des Alchemisten Wasser der Weisheit zu pressen.
Das Joch, das der Thron trägt, ist auf beiden Seiten schwer durch die Eimer gefüllt mit den Tränen, die man weint, wenn man fungiert – die man aber nicht sichtbar weinen darf, weil das Reych zu Recht starke Männer in gesetztem Alter gewählt hat, deren Präsenz alleine dazu führt, dass der goldene Ball sich überhaupt in die Burg hinein traut.
Die Frage, wo der goldene Ball eigentlich ist, wenn er nicht bei uns in der Burg ist, wird ein anderes Mal geklärt. Für heute muss es ausreichen, dass die schlaraffischen Zwickelbeine der Junkertafel unter der weisen Führung ihres Junkermeisters – hier handelt es sich um eine bezahlte Werbepause, da der Junkermeister mich nachher heimfährt – vielleicht den Weg machen vom Kobold zum Knochen, vom Zwickelbein bis zum Zeremonienmeister, der schillernden Perle einer jeden schlaraffischen Muschel.
Diesen Weg begleiten zu dürfen ist wie das Großziehen von Petunien. Kann man machen, muss man aber nicht. Aber wenn man es macht, dann sollte man es mit der ganzen Gewalt der seelischen Kraft eines Thronsassen tun, ohne sich von den Unwägbarkeiten des Schicksals oder schlechten Fexungen abhalten zu lassen.
Denn: In manchem Zwickelbein verbirgt sich doch eine ritterliche Rippe oder gar eine schlaraffische Schulter.

Lulu!